Bei der SPD geht es zu wie in einer Spelunke

Die einst stolze Volkspartei liegt am Boden.

Nach einer ordentlichen Schlägerei im Wirtshaus wissen die Beteiligten gewöhnlich nicht mehr genau, wer eigentlich angefangen hat. Sie wissen nur, dass praktisch jeder jeden verdroschen hat mit dem einzigen Ziel, Beulen sowie Scherben zu erzeugen.

Zur Erinnerung: Kurt Beck hatte vor den Landtagswahlen in Hessen, Niedersachsen und Hamburg ein Verbot für Bündnisse mit den Linken im Westen verhängt. Dann erlitt Andrea Ypsilanti eine anhaltende Umnachtung und brach ihr Wort, und Beck brach seins, weil es ihm ohnehin nicht zustand, den Landesverbänden Vorschriften zu erteilen.

Seitdem geht es bei der SPD zu wie in einer Spelunke. Im Handgemenge kann man schemenhaft erkennen, wie der niedersächsische Landeschef auf den Fraktionschef einhaut und ein saarländischer Schattenminister auf den Spitzenkandidaten. Es herrscht wildes Durcheinander, und nur eines ist klar: Die Verletzungen werden gravierend sein, gleichgültig, ob Ypsilanti scheitert oder mit Hilfe der Linken zur Ministerpräsidentin gewählt wird.

Ein Scheitern würde Ypsilanti politisch nicht überleben, was man kaum bedauern müsste, und Beck wäre ernsthaft gefährdet. Denn der Vorsitzende hat nicht nur nichts verhindert, sondern mit seinem taktischen Verbot die Grundlage für Wortbrüche und Glaubwürdigkeitsverlust sogar selbst geschaffen.

Würde Ypsilanti gewählt, dürfte die Situation noch komplizierter geraten. Man kann sich einen Parteirechten wie Frank-Walter Steinmeier schwerlich als Kanzlerkandidaten einer zerschlagenen Partei vorstellen, von der Folgendes übrig wäre: ein versehrter Vorsitzender, eine Ministerpräsidentin als lebendes Denkmal für Unglaubwürdigkeit im Umgang mit der Linkspartei und ein entfesselter linker Flügel.

Möglicherweise offenbart der Streit der SPD mit der Linkspartei und sich selbst keine nur vorübergehende Identitätskrise. Möglicherweise geht es gar nicht mehr um eine Auseinandersetzung zwischen Reformen und sozialer Gerechtigkeit, sondern um die Frage: Ergibt sich die SPD in einem quälenden Prozess der Individualisierung der Gesellschaft, und der brutale Egoismus der Ypsilantis ist nur ein Symptom? Die einst stolze Volkspartei liegt am Boden. Dass die Union glaubt, noch nachtreten zu müssen, spricht für sich.