Die Mitschuld der Politiker

Die Deregulierung des Finanzmarkts fiel nicht vom Himmel.

Krisen einen. Die größte wirtschaftspolitische Herausforderung der Nachkriegszeit löst keinen politischen Streit aus. In fast schon befremdlicher Einigkeit tragen alle Parteien von der Union bis zur Linken ein Hilfspaket zur Rettung der Finanzwirtschaft mit, das etwa die doppelte Größe des Bundeshaushalts hat. Der drohende Kollaps des Finanzsystems hat eine parteipolitische Schockstarre ausgelöst.

In solchen Krisen sind Macher gefragt und keine Nörgler. Auf dieses Gesetz kann sich die Bundesregierung allerdings nicht dauerhaft verlassen. Sie bereitet sich schon auf die kommenden Wahlschlachten vor. Die Kanzlerin versucht es mit einem neuen Vokabular: Die Rückbesinnung auf die soziale Marktwirtschaft reicht offenbar nicht mehr aus, um das Vertrauen der Wähler zurückzugewinnen. Eine "menschliche Marktwirtschaft" muss es jetzt sein.

Und Union wie SPD überbieten sich in Ankündigungen, den maßlosen Milliardenjongleuren, die die Weltwirtschaft an den Abgrund geführt haben, Fesseln anlegen zu wollen.

Diese wohlfeile Abgrenzung von den bösen Managern und Investmentbankern ist freilich nur bedingt glaubwürdig. Sie soll auch davon ablenken, dass die Politik in den vergangenen Jahren den aberwitzigen Finanzprodukten selbst den Weg geebnet hat.

Dazu zählt die Initiative des ehemaligen Finanzministers Eichel, der 2001 Unternehmensverkäufe steuerfrei gestellt hat. 2004 hat die rot-grüne Bundesregierung Hedge-Fonds und Derivate in Deutschland zugelassen. Die schwarz-rote Regierung hat dann 2005 in ihrem Koalitionsvertrag den Banken eine "Finanzaufsicht mit Augenmaß" versprochen. Nach landläufigem Sprachverständnis ist das wohl das Gegenteil von Fesseln anlegen.

CDU/CSU und SPD täten gut daran, die Fehler, die sie in der Vergangenheit gemacht haben, sich selbst einzugestehen. Nur dann haben sie eine Chance, richtige Reformen wie die Liberalisierung des Arbeitsmarktes zu verteidigen. Reformen, die nun helfen werden, die Folgen des Abschwungs im Vergleich zu vorangegangenen Rezessionen zu verringern. Bleibt dieses Selbsteingeständnis aus, bereitet die Bundesregierung der Linkspartei die Bühne, auf der diese Union und SPD im kommenden Bundestagswahlkampf genüsslich vor sich hertreiben kann.