In Afghanistan droht ein zweites Vietnam
Die schlechten Nachrichten aus Afghanistan nehmen in jüngster Zeit auf beängstigende Weise zu. Mittlerweile fallen am Hindukusch mehr Amerikaner als im Irak, und die Zahl der getöteten Zivilisten erreicht ebenfalls traurige Rekorde.
Und düstere Prognosen kampferprobter britischer Befehlshaber, wonach der Krieg gegen die Taliban für die Nato nicht mehr zu gewinnen sei, grenzen fast schon an Defätismus.
Obwohl die Nato schon seit 2001 den Terror in Afghanistan bekämpft, zeichnet sich ein Ende des Hindukusch-Einsatzes immer noch nicht ab.
Natürlich hat es Fortschritte gegeben. Kinder drücken wieder die Schulbank, auch die medizinische Versorgung hat sich verbessert. Doch all das reicht bei weitem nicht, um das äußerst bescheidene Image der Nato-Truppen nachhaltig zu verbessern. Die Hilflosigkeit des Westens im Kampf gegen die afghanische Opium-Mafia ist symptomatisch für die vertrackte Lage.
Länder wie Deutschland haben im Grunde recht: Die Verfolgung der Drogenbarone gehört nicht in die Hände von Isaf-Soldaten, sondern in die der afghanischen Behörden. Nur: Weder Polizei noch Militär gehen entschlossen gegen die Drogenbosse vor. Es sind nicht die fehlenden Fahnder, die sie so ohnmächtig machen. Es mangelt an Entschlossenheit.
Bezeichnend allein: In westlichen Kreisen hält sich hartnäckig der Vorwurf, dass kein Geringerer als Präsident Karzais jüngerer Bruder kräftig im schmutzigen Drogengeschäft mitmischt.
Ohnehin tendiert das Ansehen der in weiten Teilen korrupten Regierung in der afghanischen Bevölkerung gegen Null. Kein Wunder, dass die Propaganda der Taliban, Karzai sei eine Marionette der Amerikaner, auf äußerst fruchtbaren Boden fällt.
Solange der Westen eine korrupte Regierung toleriert, kann er noch so viele Bataillone an den Hindukusch schicken. Das Land versinkt noch tiefer im Chaos. Die Annahme der Amerikaner, eine über die zahllosen Clans und Volksgruppen gestülpte Pseudo-Demokratie à la Karzai könne dieses archaische Land stabilisieren, hat sich längst als naiv erwiesen.
Spätestens nach der Präsidentschaftswahl in den USA muss die Allianz eine schonungslose Grundsatzdebatte über Sinn und Ziel der Afghanistan-Mission führen. Sonst droht ein zweites Vietnam.