Meinung Die vorerst letzte große Föderalismusreform

Die Kritik von Norbert Lammert (CDU), mit der am Donnerstag beschlossenen Neuregelung des bundesstaatlichen Finanzausgleichs laufe Deutschland „sehenden Auges in einen Zentralstaat“, ist keine Petitesse.

Der Föderalismus ist die DNA der Bundesrepublik, seine Abschaffung wäre gleichbedeutend mit dem Ende der politischen Stabilität des Bundesstaates. Und Lammert ist nicht irgendwer, sondern Bundestagspräsident. Doch wäre seine Kritik glaubhafter, wenn er sie vor langer Zeit schon an die eigenen Leute gerichtet hätte.

Es war das CSU-regierte Bayern, das im Verein mit dem damals noch CDU-regierten Baden-Württemberg und auch mit Hessen den Länder-Finanzausgleich massiv angriff. Und zwar sehr polemisch, ja populistisch. Dass Frankfurt von den Banken und München von den vielen Firmensitzen profitiert, wurde geflissentlich verschwiegen. Auch, dass die strukturellen Probleme Berlins, Bremens, des Ruhrgebiets oder des Saarlands wenig mit der aktuellen Farbe der jeweiligen Landesregierungen zu tun haben. Stattdessen wurde gegen angebliche rot-grüne Geldausgeber gehetzt und dem Wettbewerbsföderalismus das Wort geredet. Allerdings muss man zugestehen, dass das bisherige System der Solidarität zwischen starken und armen Ländern in eine Schieflage geraten war, die seine Legitimität in Frage stellte. Wenn nur noch drei zahlen und die anderen 13 Empfänger sind, ist es leicht, damit Politik zu machen.

Trotzdem hätte zum Beispiel Horst Seehofer ( CSU) durchaus gegen die in Bayern verbreitete antiföderale Stimmung anreden können, statt sie noch zu verstärken. Zum Beispiel mit dem Hinweis auf die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse, die nicht nur im Grundgesetz steht, sondern auch existenziell für den inneren Frieden in Deutschland ist, damit auch für Bayern. Hat er aber nicht, wollte er nicht. So muss jetzt der Bund mit immerhin zehn Milliarden Euro jährlich stärker als bisher für diese Gleichwertigkeit sorgen, weil die Ländersolidarität dafür nicht mehr reicht. Er verlangt und bekommt im Gegenzug dafür etwas mehr Kompetenzen. Das ist noch lange nicht Lammerts Zentralstaat, berührt aber mit der Bildung und der Steuerverwaltung immerhin bisherige Hoheitsbereiche der Länder. Die hochmütigen Bayern haben sich vor lauter Entsolidarisierungs-Eifer selbst ins Knie geschossen.

Dass es mit dem Umbau des Föderalismus nun aber bis zu seiner Unkenntlichkeit weitergehen wird, das ist nicht zu erwarten. Nach der ersten Föderalismusreform von 2006, die die Zuständigkeiten etwas entwirrte, wurde nun das Finanzgeflecht neu geordnet und etwas transparenter gestaltet. Beide Operationen haben eine große Koalition und jahrelange Verhandlungen plus viel finanzielle Spielmasse benötigt, um dann doch nur zu mittelprächtigen Ergebnissen zu führen. Es ist derzeit nicht erkennbar, für welches Thema es sich lohnen sollte, einen solchen Aufwand zu wiederholen. Das war wohl die vorerst letzte Föderalismusreform — und auch der letzte wichtige Beschluss der großen Koalition.