Ein Lob der störrischen deutschen Seele

Unserer Befindlichkeit hängt ein mieser Ruf an. Die deutsche Seele sei kleinkrämerisch, ängstlich und argwöhnisch. Vor allem wir selbst sind es, die uns dafür verachten.

Aber auch die Tiefenpsychologen der Finanzwelt wissen um diesen Selbstzweifel und bohrten in den vergangenen Jahren immer wieder in der Wunde, um das verzagte Volk auf Zockerkurs zu bringen. Die Deutschen gingen lieber in den Konsumstreik und legten ihre Habseligkeiten aufs jämmerliche Sparbuch, argumentierten sie, statt Kredite aufzunehmen und das Geld für hohe Renditen arbeiten zu lassen.

Schließlich seien die Deutschen selbst Schuld daran, dass der Aufschwung nicht bei ihnen ankomme, man möge sich bitteschön ein Beispiel nehmen: 56 Milliarden Euro mehr an jährlicher Rendite könnten die Bundesbürger erwirtschaften, wenn sie so viel in Wertpapiere investierten wie die cleveren US-Bürger, rechnete der Bundesverband Investment und Asset im Sommer 2007 vor - zum Zeitpunkt also, als die ersten Vorbeben der Krise schon die Banken erschütterten, während die Aktien noch in schwindelnden Höhen tanzten.

Die Deutschen zweifelten zwar wieder einmal an sich selbst und glaubten auch den Finanzexperten, dass sie dumm seien. Aber ihnen behagten diese Anzugträger in den Hinterzimmern ihrer Kreditinstitute nun einmal nicht, die in wenigen Jahren von biederen Bankbeamten zu rhetorischen Zauberkünstlern mutiert waren. Ebenso wenig trauten sie den Prospekten mit ihren bunten Bildern von gesicherten Bergsteigern, die hohe Renditen und null Risiko versprachen.

Dabei hatten die Bundesbürger nicht einmal prinzipiell etwas gegen Aktien. Aber sie spürten seit dem Platzen der New-Economy-Blase ein Unbehagen an einem Turbokapitalismus, der die Reichen immer reicher und alle anderen ärmer machte. Sie ahnten den Abgrund, der am Ende der Gier stehen würde. Deshalb hatten nur sechs Prozent der Deutschen in Aktien investiert, als die Börsenkurse 2007 ihren Zenit erreichten.

Die Moral von der Geschicht’? Es waren die deutschen Sekundärtugenden Bescheidenheit und Vorsicht, die die Bundesbürger in diesem Finanzdesaster vor dem Schlimmsten bewahrten. Wir sollten uns derer nicht länger schämen.