Für Mehdorn ist der Zug abgefahren
Mehdorn ist wohl nicht mehr haltbar. Am Wochenende wurde klar, dass die Spitzel-Vorwürfe zu gravierend sind. Es wäre aber zu einfach, jetzt nur auf den als selbstgerecht geltenden Bahnchef einzuschlagen.
Trotz aller Aufgeregtheit sollte man sich zurückbesinnen, wie der Koloss Bahn vor zehn Jahren aussah. Der Vorstandsvorsitzende hat es nämlich geschafft, eine lahme Behörde zu einem Dienstleister zu wandeln, der noch lange nicht alle Wünsche erfüllt, aber durchaus so etwas wie Kundenorientierung kennt und Gewinne erwirtschaftet. Die Bahn ist sogar börsenreif. Nur die Börse ist derzeit nicht reif für derartige Neuemissionen. Und das kann man Mehdorn nicht vorwerfen.
Vorwerfen kann man ihm allerdings, dass er angeblich das Ausspähen und Löschen von E-Mails im Konzern guthieß. So lange es um Korruptionsbekämpfung, etwa in Form des Abgleichs von Kontendaten, ging, hätte er ein Stück Verständnis geerntet. Das Schnüffeln in privaten E-Mails hingegen - den Bahnmitarbeitern war das Schreiben persönlicher Mitteilungen ausdrücklich erlaubt -, kann nur empören. Es ist moralisch verwerflich und verstößt gegen das Fernmeldegesetz. Denn private Mails darf ein Arbeitgeber nicht lesen. Bei dienstlicher Post ist das übrigens anders.
Besonders heikel ist der Vorwurf, Mails gelöscht zu haben. Was logischerweise nach Lesen des Inhalts geschehen sein dürfte. Dass es sich dabei um 30 000 Streikaufrufe der Lokführergewerkschaft gehandelt haben soll, macht die Geschichte besonders pikant. Die Bahnführung hat da einen Fehler begangen. Allerdings ist vorstellbar, dass sie dafür bei vielen Menschen nicht nur Kopfschütteln hervorruft. Denn die Frage, ob die Gewerkschaft für Streikaufrufe, die ja dem Arbeitgeber schaden sollen, ausgerechnet die vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellten Kommunikationsmittel benutzen soll, lässt ungeachtet der juristischen Berechtigung Platz für heiße Debatten.
Mehdorn wird seine Position nicht nur wegen seiner Fehler nicht behalten. Denn im Jahr der Bundestagswahl ist der Bahnchef-Job parteipolitisch viel zu wichtig geworden. Die SPD will Mehdorn vor der Wahl ersetzen, die Union wollte dies danach mit einem Wunschkandidaten tun. Doch dieser Fahrplan wird sich ändern.