Steinbrück: In der Sache richtig, im Ton daneben
Man kann sich einer klammheimlichen Freude nicht erwehren, wenn Peer Steinbrück in seiner typisch bärbeißigen Art über Schweizer Bankpraktiken herzieht und die getroffenen Eidgenossen laut aufheulen.
Richtig so!, möchte man dem Bundesfinanzminister zurufen. Das Problem ist nur: Zivilisierte Staaten gehen so nicht miteinander um, schon gar nicht, wenn sie befreundet sind.
Die Schweiz ist kein Despotenregime, sondern ein in vielerlei Hinsicht vorbildliches Land. Steinbrück sollte sich daher im Ton mäßigen. Dann erkennen vielleicht auch einige in der Alpenrepublik, dass der Mann in der Sache völlig richtig liegt: Es kann nicht länger hingenommen werden, dass ein Land ungestraft Geschäfte damit macht, dass es die Bürger anderer Nationen zur Steuerhinterziehung einlädt.
Natürlich ist der Ärger der Schweizer über das platzende Bankgeheimnis zu verstehen. Es war für sie nicht einfach nur eine Gelddruckmaschine, sondern ein Freiheit und Staatsferne symbolisierendes nationales Heiligtum. Die Finanzkrise hat die Schweizer überproportional getroffen, die Nerven liegen blank. Wenn sich dann auch noch der Finanzminister des ohnehin als arrogant und aggressiv verschrienen großen Nachbarn wiederholt drohend und hämisch äußert, kocht die Volksseele über.
Andererseits müssen sich die Eidgenossen eingestehen, dass es sich für eine demokratische und fortschrittliche Nation nicht ziemt, Geldwäschern und Inhabern schwarzer Kassen eine sichere Zuflucht zu gewähren. Insofern war das Bankgeheimnis eine Schweizer Lebenslüge. Da hilft auch nicht der Hinweis des Steinbrück-Kritikers Guido Westerwelle, nicht die Steueroase sei das Problem, sondern die Wüste drumherum. Das klingt ja fast so, als würden Steuerflüchtlinge nur von ihrem guten Recht Gebrauch machen, nicht verdursten zu müssen. Seltsame FDP-Logik!
Die Flucht in die Steueroase war und ist das illegale Privileg Gutbetuchter, um sich aus der Solidargemeinschaft zu verabschieden - ein Privileg, das 99 Prozent der Arbeitnehmer, Selbständigen und Unternehmer nicht zur Verfügung steht. Steueroasen waren und sind alles andere als vorbildlich. Der internationale Steuersenkungs-Wettbewerb, den sie auslösten, war unfair bis zur Schmerzgrenze.