Meinung Groko — Selbstbedienung heißt das Programm
Kanzlerin, Minister und Staatssekretäre eingeschlossen verfügt die neue große Koalition über 91 Stellen mit Kabinettsrang und Dienstwagen. Es ist die „Gröbaz“, die größte Bundesregierung aller Zeiten.
Das Schlimme sind nicht einmal die herausgeworfenen Millionen. Das Schlimme ist die Haltung, die dahintersteht: „Wieso, das Geld ist doch da“. So drückte es kürzlich einer der vielen neuen Staatssekretäre aus. Selbstbedienungsmentalität pur.
„McKinsey kommt“, heißt ein Drama von Rolf Hochhuth, das 2004 in den Hochzeiten des Neoliberalismus erschien. McKinsey ist eine Unternehmensberatung, die nach der Wende viele Betriebe der DDR und danach auch etliche Westkonzerne nach Rationalisierungsmöglichkeiten durchforstete und reichlich fündig wurde. Alles ist in Deutschland seit diesen Jahren auf Effizienz getrimmt. In dieser gewinnoptimierten Ökonomie ist die Ministerialbürokratie so etwas wie eine Insel der Seligen geblieben. Nur noch vergleichbar mit der französischen Staatsbahn SNCF, deren Mitarbeiter gerade um ihre teils grotesken Privilegien streiken. Die Bundesministerien mit ihren rund 30 000 Stellen in Berlin und Bonn sind die SNCFs Deutschlands. McKinsey kommt hier nicht. Nur der Steuerzahlerbund heult gegen den Skandal an, wie ein ruheloser Hund gegen den vollen Mond.
Ganze Ämter sind personelle Entsorgungs- und Reserveparks der Parteien. Doppelstrukturen werden nicht vermieden, sondern absichtlich geschaffen — sei es, um Leute zu versorgen, sei es, um die Ministerien des Koalitionspartners zu kontrollieren. Und wenn einer aus politischen Gründen unbedingt B11-Beamter werden muss (rund 12 000 Euro im Monat) und deshalb Untergebene braucht, dann werden eben ein paar Referate eingerichtet und Leute eingestellt. 200 Zusatzstellen sind es gerade, vor allem für Horst Seehofer, Dorothee Bär und Olaf Scholz. Es wird entgegengehalten, Demokratie habe ihren Preis, also auch die politische Führung. Aber darüber reden wir gar nicht. Wir reden über eine Abschottung dieser Bürokratie gegen jeden Ansatz einer unabhängigen Organisationsreform. Wir reden über Reformboykott. Und wir reden auch über das Fehlen jeglichen sozialen Anstands, der es erfordern würde, gegenüber dem Steuerzahler alle Stellen gut begründen zu können. Das können sie nicht, und deshalb tun sie der Demokratie auch keinen Gefallen.