Meinung Sprengstoff für den Kommunalwahlkampf
Meinung · Unterfinanzierung der Städte bei den Flüchtlingskosten entsteht eine konkrete Sorge: dass im Zuge des Kommunalwahlkampfs gesellschaftliche Gruppen gegeneinander aufgebracht werden, um am Ende bei den Flüchtlingen die Schuld zu suchen.
Kommunen, die bei Herausforderungen außerhalb ihrer originären Aufgaben eine Unterfinanzierung durch Bund und Land kritisieren: Dieses Klagelied ist altbekannt, nicht nur in der Flüchtlingsfrage. Aber auch alte Klagelieder behalten ihre Berechtigung, wenn sich nichts Entscheidendes ändert. Bei der Finanzierung der Flüchtlingskosten gibt es jedenfalls keinen Grund, sie nicht mehr anzustimmen.
Dass die Städte und Gemeinden bei der Bewältigung der Flüchtlingsfrage die Hauptlast zu tragen haben, wird kaum jemand bestreiten. Vor Ort müssen die Menschen untergebracht, versorgt und integriert werden. Es ist dabei kein Zufall, dass von dort gerade jetzt der Druck auf das Land wächst, die Änderung des Flüchtlingsaufnahmegesetzes endlich auf den Weg zu bringen. Die nächsten Kommunalwahlen finden in NRW am 13. September 2020 statt. Das ist nicht einmal mehr ein Jahr.
Die Sozialdezernenten haben vorgerechnet, welche Beträge Jahr für Jahr an den Kommunen hängen bleiben: Düsseldorf 44 Millionen Euro, Essen 27 Millionen, Gelsenkirchen zwölf Millionen, Dortmund 30 Millionen. Geld, das an anderer Stelle fehlt. „Kommunale Haushalte werden immer mehr zu Sozialhaushalten und nicht zu Investitionshaushalten“, sagt Dortmunds Sozialdezernentin Birgit Zoerner. Die konkrete Sorge nicht nur in Dortmund: dass im Zuge des Kommunalwahlkampfs gezielt auf der Klaviatur des Sozialneids gespielt und gesellschaftliche Gruppen gegeneinander aufgebracht werden, um am Ende bei den Flüchtlingen die Schuld zu suchen.
Dass man sich im NRW-Flüchtlingsministerium zur grundsätzlichen Anpassungsbereitschaft bekennt, ist löblich. Dass auf die Komplexität des Themas und die Abhängigkeit von Finanzleistungen des Bundes verwiesen wird, mag man nachvollziehen. Aber dass die Integrationspauschale des Bundes herhalten soll, um die Kosten für die sonst durch das Finanzierungsraster fallenden geduldeten Flüchtlinge zu decken, kann keine Lösung sein. Das Geld wird genau dafür benötigt, wonach es benannt ist: für die Integrationsleistungen vor Ort.
Das Land darf sich bei den Geduldeten nicht länger nach drei Monaten aus der Verantwortung stehlen. Die Regelung war 2015 noch unter SPD-Innenminister Ralf Jäger vereinbart worden. Die Idee: Wenn die Finanzierung entfällt, wächst die kommunale Bereitschaft, die eigentlich bestehende Ausreisepflicht auch durchzusetzen. Aber die Wirklichkeit ist eine andere: In vielen Fällen gibt es gute Gründe, die Duldung fortzuführen und nicht abzuschieben. Die Kosten dann stillschweigend den Kommunen zu überlassen, ist schlicht unfair.