Luftangriff bei Kundus: Das Parlament und seine Armee
Die Fakten zum Luftangriff bei Kundus werden scheibchenweise enthüllt.
Empörend ist nicht so sehr die Tatsache, dass die Spezialtruppe KSK mit im Boot war, als der Luftschlag von Kundus ausgelöst wurde. Der Eliteverband existiert legal, und die Bundeswehr in Afghanistan ist weitgehend frei, sich vor Ort zu organisieren. Empörend ist vielmehr, dass die Öffentlichkeit und mit ihr das Parlament zunächst dumm gehalten wird über Hergang und Folgen des Bombardements, um dann scheibchenweise die Wahrheit aus der Bild-Zeitung zu erfahren. Wozu sitzen 622 Volksvertreter im Bundestag, wenn Fragen, die das Volk stellt, nicht einmal seinen Abgeordneten beantwortet werden?
So bleiben Vermutungen und Unklarheiten - viel Arbeit für den Untersuchungsausschuss, der sich in der kommenden Woche konstituieren wird. Da kommt dann alles und noch viel mehr auf den Tisch: Die Frage nach der Zahl der Quellen, auf die sich der Feuerbefehl bezogen hat, und nach ihrer Qualität. Die Frage, ob ein Oberst entschieden hat oder ein Feldwebel. Die Frage, was an Fakten an die Nato weitergegeben wurde und was nicht. Was Verteidigungsminister Jung zur Kenntnis genommen hat und was nicht. Und schließlich, was Verteidigungsminister Guttenberg bereits wissen musste, als er am 6.November den Luftangriff "militärisch angemessen" nannte.
Der unangemessene Bombenangriff auf zwei Tanklaster geschah nicht von ungefähr. Bereits im Juli hatte der damalige Generalinspekteur Schneiderhan im Beisein seines damaligen Ministers Jung angekündigt, es sei an der Zeit, angesichts einer gestiegenen Bedrohungslage für die Bundeswehr eine höhere Eskalationsstufe der militärischen Auseinandersetzung zu zünden. Damals nahm das die wahlkämpfende Große Regierungskoalition hin, ohne mit den Wimpern zu zucken. Nach der Eskalation von Kundus spricht das Internationale Rote Kreuz von einem völkerrechtswidrigen Angriff - am Ende könnte sogar der Internationale Gerichtshof in Den Haag den Fall an sich ziehen.
Deutschland, so scheint es, rutscht immer tiefer in den Afghanistan-Strudel. Es wird höchste Zeit, dass das Parlament auf seiner Zuständigkeit besteht und sich intensiv mit einer Exit-Strategie befasst. Die Bundeswehr ist eine Parlamentsarmee und muss es bleiben. Das hat sich über ein halbes Jahrhundert bewährt.