Meinung Mit einem Nein würde sich die SPD selbst schaden
Die rund 600 SPD-Delegierten haben morgen die Wahl, der Aufnahme von Koalitionsverhandlungen mit der Union zuzustimmen oder sie abzulehnen. Sie sollten Ja sagen. Nicht nur aus staatspolitischer Verantwortung für das Land, das schon seit vier Monaten auf eine neue Bundesregierung wartet.
Wer politisch etwas im Sinne der Menschen erreichen will, darf sich jetzt nicht mehr verweigern. Da gilt der alte Satz des Genossen Franz Müntefering: Opposition ist Mist. Weder lässt sich in ihr gestalten und verändern, noch ist die Oppositionsrolle im Bundestag ein Garant für die innere Erneuerung einer gesamten Partei. Das beste Beispiel dafür liefert die bayerische SPD. Seit Jahrzehnten hockt sie parlamentarisch auf den Hinterbänken, aber weder ist es ihr über die Jahre gelungen, einen neuen Heilsbringer zu finden, noch die CSU inhaltlich oder gar bei Wahlen in die Bredouille zu bringen.
Der Zickzackkurs, den speziell Parteichef Martin Schulz hingelegt hat, wird in ein paar Monaten vergessen sein, wenn dann auch die SPD-Mitglieder Ja zum Ergebnis der Groko-Verhandlungen sagen sollten und das Bündnis endlich beginnen kann, Inhalte umzusetzen. Auch die der SPD, für die die Sozialdemokraten dann viel offensiver und selbstbewusster eintreten müssen.
Freilich ohne Martin Schulz am Kabinettstisch. Das Chaos, das der Parteichef nach der Wahl angerichtet hat, darf nicht noch mit einem Ministerposten belohnt werden. Außerdem: Will er seine darniederliegende Partei tatsächlich reformieren, dann geht das nur, indem er nicht in die Kabinettsdisziplin eingebunden ist, um sich dieser Aufgabe voll und ganz widmen zu können — und nicht halbherzig.
Chaos ist auch das Stichwort, das hoffentlich viele Delegierte fürchten. Es würde unweigerlich über die SPD hineinbrechen, falls eine Mehrheit das Sondierungsergebnis am Sonntag ablehnt. In der Folge müsste nicht nur Martin Schulz umgehend zurücktreten, sondern eigentlich die gesamte SPD-Führung mit ihm. Denn sie hat dem Ergebnis der Gespräche mit der Union zugestimmt und dafür in den letzten Tagen mehr oder weniger intensiv geworben. Und wer soll die Partei dann übernehmen? Kevin Kühnert, der rebellische Juso-Vorsitzende? Wohl eher nicht. Ein Nein wäre politischer Selbstmord aus Angst vor dem Tod.