Opfer sind Opfer

Es scheint das ewige Schicksal der Opfer von Gewalttaten zu sein, dass sie aus dem Blick geraten — vielleicht, weil sie uns alle zu sehr daran erinnern, wie schnell wir selbst zu selbigen werden können.

Foto: Sergej Lepke

Lange wurde Polizei und Justiz vorgehalten, bei der Suche nach Beweisen keine Rücksicht auf die Befindlichkeit der Opfer zu nehmen. Aber auch die beobachtende Öffentlichkeit lässt sich oft genug lieber von der Faszination des Bösen gefangen nehmen oder gibt sich im Zeitalter der Videoclips ungehemmt ihrer Gafferlust hin. Und im politischen Raum hat sich längst ein zynischer Täter-Wettbewerb entwickelt: Hoffentlich war es ein Flüchtling, hoffentlich war es kein Flüchtling, hoffentlich war es islamistischer Terror, hoffentlich war es kein islamistischer Terror.

Bei denen, die Opfer dieser Gewalt werden, muss das wirken, als hinge die Intensität von Zuwendung und Mitgefühl der Gesellschaft von den Motiven der Täter ab. Diese dürfen quasi zum zweiten Mal Schicksal spielen — und bekommen so nach dem realen Angriff auf Leib und Leben einen erneuten Gewaltakt zugebilligt.

Es wäre Aufgabe des Staates, dem Eindruck entgegenzutreten, es gäbe Gewaltopfer erster und zweiter Klasse. Genau diesen Eindruck vermittelt aber die Begrenzung des neuen Opferbeauftragten der Bundesregierung auf Terrortaten.

Selbst wenn man NRW-Justizminister Peter Biesenbach (CDU) unterstellen mag, Kritik an der Bundesjustizministerin falle ihm leichter, weil sie der SPD angehört, bleibt sein Einwurf völlig berechtigt: Der Staat darf sich in seiner Hilfeleistung nicht von der Motivlage des Täters abhängig machen. Sonst verstärkt er eine Hierarchisierung der Gewalt. Dieser irre Wettstreit spaltet aber nicht nur die Gesellschaft, die damit Gewaltfolgen ideologisiert und zum Gegenstand der eigenen Weltsicht macht. Er missachtet auch die Würde der Opfer.

Darum ist die Aufgabenbegrenzung des Opferbeauftragten der Bundesregierung ein Fehler. Er muss korrigiert werden.