Verfassungsschutz: Das Frühwarnsystem hat versagt

Was nicht im Bericht des Verfassungsschutzes steht

Selten zuvor dürfte der Jahresbericht des Verfassungsschutzes einen solch schalen Beigeschmack hinterlassen haben wie in diesem Jahr. Und das nicht nur wegen der pikanten Personalie.

Innenminister Hans-Peter Friedrich stellte das mehr als 300 Seiten starke Werk gestern gemeinsam mit Heinz Fromm vor — dem scheidenden Präsidenten des Kölner Bundesamtes.

Gestolpert ist der ranghöchste Verfassungsschützer über das beispiellos stümperhafte Verhalten seiner Behörde bei der Aufklärung der Morde, die die Zwickauer Terrortruppe begangen hat.

Von den Behörden mehr als zehn Jahre unbehelligt, zogen die Neonazis mordend durchs Land — unterstützt von einer mehr oder weniger großen Anzahl von Helfern und Helfershelfern. Ausgerechnet Fromm warnt jetzt davor, dass die braunen Mörder Nachahmer in der rechten Szene finden könnten.

Auszuschließen ist das nicht. Nicht nur, weil die Untaten des Zwickauer Trios als Blaupause für Nachwuchsterroristen dienen könnten. Sondern vor allem, weil das Signal, das von Fromms Kölner Pannendienst ausgegangen ist, ein verheerendes ist. Nämlich: Das Frühwarnsystem unserer Demokratie funktioniert nicht. Oder zumindest nicht so, wie es soll.

Der Verfassungsschutz steckt in einer Krise. Das ist das eigentlich Beunruhigende — mehr noch als die höchst unschönen Zahlen, die der Jahresbericht gestern offenbart hat.

Diese zeigen eins: Das Land braucht effizient arbeitende Sicherheitsbehörden. Gegen rechten und linken Terror und gegen die Gefahr, die von einem radikalisierten Islam ausgeht. Der Verfassungsschutz in seiner jetzigen Form kann dies nicht leisten.

Er muss schleunigst und grundlegend reformiert werden. Es kann nicht sein, dass ein Bundes- und 16 Landesämter mehr oder weniger dieselben Aufgaben übernehmen, dabei kaum miteinander kooperieren oder sich gar gegenseitig das Leben schwer machen.

Friedrich hat gestern immerhin angedeutet, dass einige der regionalen Dienste zusammengelegt werden könnten. Man werde darüber reden müssen. Es ist zu befürchten, dass das allein nicht ausreichen wird. Wenn der Verfassungsschutz nicht auf Effizienz getrimmt wird, gibt es ein böses Erwachen. Der Dienst soll politisch motivierte Straftaten verhindern und nicht nur zählen.