Kinderoper „Die Reise zu Planet 9“ Urknall der Schockverliebtheit
Düsseldorf · Die Kinderoper von Pierangelo Valtinoni hatte Premiere in Düsseldorf. Das Werk sprüht vor tollen Einfällen und ist ein Abenteuer für die ganze Familie.
Zuerst stehen da nur ein paar bemalte Pappkartons. Aus dem Dunkel hört man Stimmen von Kindern, die sich eine Welt ohne Kriege und voller Spaß ausmalen. Und voller Musik, die dann auch prompt einsetzt. Es dauert nur Sekunden, bis sich die Bühne des Opernhauses mit kunterbunten Gestalten gefüllt hat. Ihre fantasievollen Kostüme sind ein optischer Genuss. Es wimmelt nur so von Ringeln, Punkten, Streifen, Schleifen und Neonfarben – ein erquicklicher Auftakt für „Die Reise zu Planet 9“.
Die Inszenierung der Kinderoper von Pierangelo Valtinoni entstand als Kooperation der Deutschen Oper am Rhein mit dem Theater Bonn, dem Aalto-Musiktheater Essen und dem Theater Dortmund, wo sie zuerst gezeigt wurde. Nun feierte sie ihre Düsseldorfer Premiere. Bis zum 22. Dezember wird es jeweils vier Schulaufführungen und vier Familienvorstellungen geben. Man möchte das zauberhafte Werk allen ans Herz legen. Die Musik ist angenehm zugänglich, der Gesang so gut verständlich wie das Libretto von Paolo Madron.
Wir sind im Reich Abholzhausen von König Krax (Ricardo Llamas-Márquez), der sich in einer fatalen Situation befindet. Sein Volk rebelliert. Fleißig hat es an einer Rakete gearbeitet und wartet nun auf seinen Lohn. Der Herrscher windet sich, alles sei nur ein Missverständnis. In Wahrheit hat er sein Vermögen verprasst, der Staat ist hoch verschuldet. Ihm bleibt nur die Flucht mit der fertigen Rakete, gemeinsam mit seinem Cheferfinder Megapfiffikus (Ricardo Romeo). Auf einem fernen Planeten soll der größte Schatz des Universums verborgen sein. Den wollen sie aufspüren und dort ein sorgloses Leben führen.
Nur hat der König nicht mit seiner schlauen Tochter gerechnet. Prinzessin Lunatick (Anna Sophia Theil) will den Untertanen ihren verdienten Lohn zukommen lassen. Sich in die Raumfahrtzentrale einzuhacken? Ein Kinderspiel. Es flackert das Licht, und weg ist die Rakete. Drollig, wie mit Zahlenwürfeln der Countdown simuliert wird. Entzückend, wie Lunatick als Astronautin hoch über der Bühne durchs Weltall schwebt, umgeben von funkelnden Sternen. Abgeschüttelt ist die irdische Schwere. Gelegentlich bedient sich die Oper bei der Jugendsprache („das ist der Oberhammer“), aber nie penetrant. Ebenso dezent werden Kriege, Pandemie und Klimawandel thematisiert.
Bald düsen auch der König und seine Begleitung an, irgendwie scheinen sie auch an ein Flugobjekt gekommen zu sein. Die Landung versetzt die Herren in Euphorie: „Wir gehen in die Geschichte ein! Wir haben den Planeten 9 gefunden, den Wissenschaftler seit Jahren suchen.“ Zu dritt tapsen sie schwerfällig in ihren Anzügen herum wie einst Neil Armstrong auf dem Mond. Die Prinzessin jubelt: „Hier ist Luft, ich kann atmen ohne Maske.“ Plötzlich stehen sie den Planetenbewohnern gegenüber. Kein freundlicher Empfang. Das einheimische Königspaar Quyobo (Jake Muffett) und Ikuma (Annabel Kennedy) verlangt nach harschen Strafen für die Eindringlinge. Deren Glück: Es ist gerade Kindertag. Sohn Quyokuma (David Fischer) hat das Sagen und befiehlt: „Nicht kochen, nicht zu Salbe verarbeiten.“
Prinz und Prinzessin müssen sich nur einmal in die Augen schauen, schon sind sie schockverliebt. Ein Urknall. Mag die Mutter auch noch so dringlich vor einer schrecklichen Seuche namens Amoritis warnen, der Sohn lässt sich nicht beirren und fleht seine Angebetete an: „Bitte steck mich an.“ Ein Happy End ist da noch nicht in Sicht. Das Liebespaar wird getrennt und muss erst einige gefährliche Abenteuer bestehen, bei denen ihm der freundliche Oropax (Franz Xaver Schlecht) behilflich ist. Nach viel Grusel und Zähneklappern atmet Lunatick auf: „Oh Gott, ist das himmlisch.“ Und er jauchzt: „Du bist meine andere Hälfte.“ Auch die zunächst feindseligen Eltern werden schließlich weich und feiern das Glück ihrer Kinder. Innige Versöhnung auf Wolke 7.
Die Inszenierung von Cordula Däuper ist gespickt mit hübschen Einfällen, die auch den anwesenden Kindern gut gefallen. Sie lachen, wenn der dicke König Krax die Bühne verlässt und sich durch die erste Sitzreihe quetscht, auf der reumütigen Suche nach seinem verschwundenen Töchterlein. Sie kichern, wenn das Liebespaar zu einem Kuss ansetzt und Oropax wettert: „Lasst das peinliche Geknutsche.“
Der wie immer fabelhafte Chor der Deutschen Oper am Rhein, die Düsseldorfer Symphoniker und die sieben Solisten liefern eine souveräne Leistung ab. Beim Schlusschor stehen alle Sänger und Sängerinnen Hand in Hand an der Rampe. Die „Reise zu Planet 9“, der man sich nur zu gerne anschließt, endet mit einer inbrünstigen Hymne an die Kostbarkeit des Lebens und der Natur. Großer Applaus.
Eine Woche vor der ersten Familienvorstellung lädt die Junge Oper am Rhein zusammen mit der Sternwarte Erkrath zum Familiennachmittag mit vielen Attraktionen ein. Man kann durch einen intergalaktischen Parcours rasen, Planeten durch ein Linsenteleskop bestaunen, leuchtende Höhlenwelten erforschen und musikalisch durch das Opernsonnensystem kurven. Es wird ermuntert, zu dieser Veranstaltung mit neonfarbenen Kleidern und Accessoires zu kommen, passend zum schrägen Kostümbild der Inszenierung.