Ausgezeichnete Kostbarkeiten
Seit 25 Jahren sammelt die „Kostbar“ Auszeichnungen in der Schlemmerszene. Das vegetarische Restaurant zählt zu den besten seiner Art.
Ratingen. Eigentlich ist Georg Müller gar kein Koch. Und zu seinem Restaurant "Kostbar" kam er wie die sprichwörtliche Jungfrau zum Kind. Dennoch zählt das kleine, aber feine Lokal, das in dem aus dem Jahre 1683 stammenden, denkmalgeschützten "Haus Messer" an der Lintorfer Straße untergebracht ist, zu den besten Szene-Restaurants in Deutschland und bei den vegetarischen Schlemmertempeln zu den Top-Adressen. Stammgäste kommen aus aller Herren Länder nach Ratingen.
Gelernt hat Müller eigentlich Ingenieur und hatte für Mannesmann-Anlagenbau Pipeline-Projekte in Saudi-Arabien und Südamerika überwacht. Seine Frau Ilka war dagegen schon früher ökologisch aktiv: Sie betrieb einen Versand mit Naturtextilien, erweiterte später mit Ladengeschäften für Naturwaren aller Art.
Als die Müllers 1988 die Ausschreibung der evangelischen Kirchengemeinde für das "Haus Messer" gewonnen hatten, schlug die Geburtsstunde der "Kostbar". Anfangs hatten die Müllers einen Partner, der fürs Kochen zuständig war. Als der aber absprang, musste Müller ran. "Ich habe bei Mannesmann gekündigt und bin ins kalte Wasser gesprungen." Zudem wurde ein Chefkoch von Mövenpick abgeworben.
Dass in der "Kostbar" streng vegetarisch gekocht wird, haben die Gäste einem Schlüsselerlebnis zu verdanken: Als ein benachbartere Bauernhof Schweinefutter geliefert bekam, drückte der Lkw-Fahrer den Müllers, die gerade spazieren gingen, die Lieferpapiere in die Hand. Nach dem Durchlesen der Inhaltsstoffe des Mastmittels ("unter anderem drei Prozent Gülle") stand der Entschluss fest: alles außer Fleisch.
120 Gerichte stehen auf der Speisekarte, täglich werden verschiedene Menüs angeboten. Gestern gab es Gemüsecremesuppe mit Pfifferlingen, hausgebackener Zwiebelkuchen mit Kümmelduft und Gouda oder Champignon-Gemüse-Pfanne mit Kräuterrahm und Kartoffelnudeln und als Dessert "beschwipste Aprikose" auf gemischtem Eis. Ab 8 Uhr morgens wird in der Küche gewirbelt, alles frisch zubereitet.
"Wir verwenden nur frische Zutaten, keine Fertigprodukte", betont Müller. Die Küchenkräuter wachsen übrigens auf dem begrünten Dach und werden von Köchen selbst geerntet. Als Besonderheit bietet die Kostbar seit 15 Jahren ihren Gästen ein Menü-Abo an: 30 Menüs werden im voraus bezahlt und dann bei Gelegenheit "abgegessen". Den Preisvorteil von 30 Prozent lassen sich knapp 500 Stammgäste nicht entgehen.
Apropos Stammgäste: Die kommen inzwischen aus New York, Arabien oder Indien - "vor allem Geschäftsleute", weiß Müller. Die vielen Preise und Auszeichnungen haben sich inzwischen auch im Ausland herumgesprochen.
Dennoch plagen Müller Personalsorgen. "Wir suchen seit 18 Jahren gute Köche." Gute Köche sind für ihn jene, "die frisch kochen können". "Leider sterben die langsam aus. Und Spezialisten für Vegatarisches sind eh rar gesät. Immer wieder hatte er in der Vergangenheit deshalb Küchenchefs aus Indien oder Sri Lanka.
Einer davon, der Tamile Nadaras Amarasinkghe, sorgte vor Jahren für Schlagzeilen, weil ihm nach erfolglosem Kampf um Anerkennung als Asylbewerber die Abschiebung drohte - in den sicheren Tod. Nach Flucht und jahrelanger Odyssee gelangte er in die USA, wo ihm Kopien von Zeitungsausschnitten aus Ratingen bei der Anerkennung als Flüchtling geholfen haben.
Mit sieben Mitarbeitern in Küche und Service betreiben die Müllers zurzeit die "Kostbar". Da bleibt es nicht aus, dass der Chef selbst immer wieder mal an den Kochtopf muss.