Mein Ratingen: Liebe zu urtümlichen Orten
Menschen: Roswitha Riebe-Beicht hat Ratingen in ihr Herz geschlossen. Was sie sich wünscht: mehr Orte mit wilder Schönheit.
Ratingen. Ein Wort mag Roswitha Riebe-Beicht gar nicht: Ordnung. Wenn sie es nur hört, zieht sie ihre Mundwinkel nach und runzelt mit der Stirn. "Nein, wenn alles zu glatt ist, zu ordentlich, dann geht das Ursprüngliche verloren. Alles, was zu ordentlich ist, wirkt unecht", sagt sie. Deshalb hat die Ratinger Künstlerin auch einen Lieblingsort in der Stadt, der alles andere als geschniegelt ist: die Rückseite des Dicken Turms.
Hier sprießt das Unkraut zwischen den Pflastersteinen, am Graben liegen abgebrochene Äste - Opfer des letzten Unwetters. Aus der Mauer wächst Zimbelkraut. Die Szene gefällt Roswitha Riebe-Beicht besonders gut: "Das ist doch hier eine herrliche Gegend, so urtümlich und wild." Woher ihre Leidenschaft für das Wilde, Ursprüngliche, Unordentliche kommt, weiß die Künstlerin nicht. Das sei bei ihr schon immer so gewesen.
Geboren und aufgewachsen in Bayern, kam sie der Liebe wegen 1980 nach Düsseldorf. Mit ihrem Mann musste sie kurze Zeit später aber eine neue Bleibe suchen. Und das erledigten die beiden mit ihren Fahrrädern. "Wir haben einfach Touren in die Umgebung gemacht, um zu schauen, wo es uns gut gefällt. Ein Ziel war auch Ratingen", erzählt Roswitha Riebe-Beicht.
Am Ortseingangsschild habe sie dann gelesen, welche Partnerstädte Ratingen hat. Und da stand unter anderem der Name Vermillion in South Dakota drauf. "Das kannte ich schon von einer Reise in die USA. Und es hat mir dort gut gefallen. Und dann dachte ich nur: Wenn Ratingen Vermillion als Partnerstadt hat, muss das ein nettes Örtchen sein."
Und dem war dann auch so. Roswitha Riebe-Beicht zog mit ihrer Familie in die Dumeklemmerstadt. Seitdem lebt sie hier. Arbeiten? Das macht sie auch in Ratingen und in Heiligenhaus. Dort hat sie noch eine halbe Stelle am Gymnasium als Kunstlehrerin. Aber den Rest des Tages verbringt sie mit Arbeiten in ihrem Atelier. Zwei bis drei Stunden täglich zieht sie sich zurück, grundiert Leinwände, malt, experimentiert mit Materialien.
Und dabei kommt sie mitunter auf ausgefallene Ideen. So malte sie eine ganze Reihe von Bildern mit purem Kaffee. Und die kamen bei anderen Kulturschaffenden so gut an, dass sie ihre Bilder haben wollten. Darunter zum Beispiel die Lyrikerin Barbara Ming. Mit ihr veröffentliche Roswitha Riebe-Beicht die so genannten "Kaffeesätze" - ein Lyrikband, illustriert mit den Zeichnungen der Künstlerin.
Die Kaffeebilder offenbaren Roswitha Riebe-Beicht aber nicht nur als innovative Künstlerin, sondern erzählen auch von einer anderen Seite: Die Idee mit Kaffee Bilder zu malen, ist im Stadtrat entstanden. Denn auch das war Riebe-Beicht: Ratsmitglied für die SPD von 1989 bis 1996. "Gegen Ende meiner Zeit dort war mir öfter langweilig.
Und dann habe ich während der Sitzungen mit dem ausgeschenkten Kaffee auf meinen Block gemalt und gesehen, dass es funktioniert." Ihre Kaffeebilder haben gerade erst eine längere Reise hinter sich - und mit ihnen auch Roswitha Riebe-Beicht. Erst vor wenigen Wochen fuhr sie nach Togo, um ihre Werke dort am Goethe Institut auszustellen. Ob die nächste Ausstellung der Künstlerin wieder etwas mit Kaffee zu tun haben, will sie nicht verraten: "Es wird bald ein neues Projekt geben. Was das aber genau sein wird, bleibt noch ein wenig mein Geheimnis."