Rita Süssmuth in Kempen Warum es lohnt, nicht lockerzulassen

Kempen · Im Gymnasium Thomaeum wurde am Donnerstag die Ausstellung „Die Mütter des Grundgesetzes“ eröffnet.

Die Ausstellung im Nebenraum der Aula des Thomaeums informiert über die „Mütter des Grundgesetzes“. Fotos: Ronge

Foto: Birgitta Ronge

In Kempen ist am Donnerstagmorgen die Ausstellung „Die Mütter des Grundgesetzes“ eröffnet worden. Gezeigt wird sie nun bis Freitag, 27. September, in einem Nebenteil der Aula des Gymnasiums Thomaeum. Schülerinnen und Schüler der weiterführenden Schulen können sie klassen- oder kursweise besuchen, wenn sie sich im Unterricht etwa mit dem Grundgesetz, das es nun seit 75 Jahren gibt, oder dem Thema Gleichberechtigung und Frauenrechte auseinandersetzen.

Im Mittelpunkt der Ausstellung stehen mit Frieda Nadig, Elisabeth Selbert, Helene Weber und Helene Wessel vier Frauen, die dem Parlamentarischen Rat angehörten, der von September 1948 bis Juni 1949 in Bonn tagte. Sie erkämpften mit Artikel 3 Absatz 2 die Verankerung der Gleichberechtigung im Grundgesetz: „Männer und Frauen sind gleichberechtigt.“ Gesagt, getan? Keineswegs. In Sachen Gleichberechtigung ist immer noch viel zu tun.

Die Ausstellung porträtiert Frauen, die es nicht leicht hatten, die aber hartnäckig blieben, nicht lockerließen. Solch eine Frau war am Donnerstag auch im Thomaeum zu Gast: die ehemalige Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth (CDU). Auf Bitten der Schulleiterin Agnes Regh waren die zahlreichen Schülerinnen und Schüler der weiterführenden Schulen aufgestanden, als Süssmuth die Aula betrat, und Süssmuth zwinkerte ihnen anerkennend zu: „Na, ihr seid aber von der alten Schule!“ Regh appellierte an den Nachwuchs, von Süssmuth zu lernen, zuzuhören und sich inspirieren zu lassen.

Zur Eröffnung sprach die frühere Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth.

Foto: Birgitta Ronge

Die Kempener CDU-Stadtverordnete Ute Gremmel-Geuchen, die im April durch die Bundesministerin für Familien, Senioren, Frauen und Jugend, Lisa Paus, mit dem diesjährigen Helene-Weber-Preis geehrt wurde, hatte ihr Preisgeld zur Verfügung gestellt, um die Ausstellung in Kempen zu ermöglichen. Der Preis ist eine Auszeichnung für herausragende Kommunalpolitikerinnen. Süssmuth führe die Arbeit der Mütter des Grundgesetzes fort, erklärte Gremmel-Geuchen einleitend. In vielen Bereichen engagiert, sei Süssmuth häufig auch auf Widerstände, auch in der eigenen Partei, gestoßen. Die Kempenerin erinnerte auch daran, dass Frauen in der Politik immer noch unterrepräsentiert sind, auch auf kommunalpolitischer Ebene.

Der Frauenanteil im Kempener Stadtrat beträgt 27,5 Prozent

Kempens Schuldezernent Bennet Gielen (v. l.), LvD-Schulleiter Benedikt Waerder, Thomaeum-Schulleiterin Agnes Regh, Bundestagspräsidentin a.D. Rita Süssmuth, die mit dem Helene-Weber-Preis ausgezeichnete Kempener Kommunalpolitikerin Ute Gremmel-Geuchen und Bürgermeister Christoph Dellmans bei der Eröffnung.

Foto: Birgitta Ronge

Im Kempener Stadtrat etwa liegt der Frauenanteil bei 27,5 Prozent. Es bedürfe weiterer Anstrengungen, um „Parität jetzt!“ umzusetzen, so Gremmel-Geuchen, die damit auf Süssmuths 2022 erschienenes Buch anspielte. Darin zeigt Süssmuth Wege für eine gleichberechtigte Zukunft auf.

In ihrer Eröffnungsrede erinnerte Süssmuth an die lange Geschichte der Frauen, die sich für die Gleichberechtigung einsetzten, und die abweisende Haltung der Männer, die den Frauen rieten: „Geht zurück an eure Kochtöpfe.“ Dabei gehe es, damals wie heute, um Macht. Sie schilderte eigene Erlebnisse in der Politik, erinnerte an Helmut Kohl, neben dem sie wie ein kleines Würstchen ausgesehen habe, und dass Kohl mitunter sehr wütend auf sie gewesen sei. Doch klein bei gab Süssmuth nicht, und das war auch ein Rat, den sie den Schülern in Kempen mit auf den Weg gab: weiterzumachen, nicht aufzugeben.

Wie können Frauen stärker in die Politik eingebunden werden, wollte eine Schülerin wissen. Ohne Maßnahmen bleibe alles beim Alten, „da können wir noch 200 Jahre warten“, so die ehemalige Bundestagspräsidentin. Es gehe aber nicht nur um eine Frauenquote, sondern auch um die Frage, wann Zeit für die Kinder, wann Zeit für die Arbeit sei, wie sich Mann und Frau den Haushalt aufteilten, wer die sogenannte Care-Arbeit erledige, sich also um den Nachwuchs und die pflegebedürftigen Eltern kümmere. Abschließend fragte ein Schüler nach Süssmuths Einschätzung zur Stabilität der Demokratie in dieser Zeit. Sie habe jahrelang gehalten, sei im Augenblick aber in einer erheblichen Krise, so Süssmuth, die eine „menschliche Form“ in der parlamentarischen Auseinandersetzung anmahnte. Ihr Appell: „Ich glaube, die junge Generation hat Kraft und Verstand genug. Trauen wir uns, was zu wagen, und stärken wir die Demokratie.“