Corona-Pandemie Als das Coronavirus nach Viersen kam
Viersen · Fünf Jahre ist es her, dass die Corona-Pandemie auch den Kreis Viersen erfasste. Menschen trugen Maske, litten unter Kontaktverboten, sehnten sich nach einem Impftermin. Wie alles begann.
In diesem Februar ist es fünf Jahre her, dass das Coronavirus in den Kreis Viersen kam – und das Leben der knapp 300.000 Einwohner für Jahre auf den Kopf stellte. Was noch im Januar 2020 eine merkwürdige Lungenkrankheit im fernen China war, wurde im Februar zu einem lebensbedrohlichen Virus vor der eigenen Haustür. Die erste Veranstaltung, die dem Virus zum Opfer fiel, war gleich eine Weltmeisterschaft: Die Stadt Viersen sagte gut eine Woche vor dem Start die Billard-WM im Dreiband ab. „Die Verantwortung für die Gesundheit der Zuschauer, der Viersener Bevölkerung und der Sportler können wir nicht übernehmen“, sagte der Präsident der Deutschen Billard-Union, Helmut Biermann, damals. „Das war die schwerste Entscheidung meiner Funktionärskarriere im Billard. Denn wie wir es auch machen, machen wir es am Ende falsch. Aber ich hätte nicht damit leben können, wenn auch nur einer bei der Veranstaltung zu Schaden gekommen wäre.“
Zum Zeitpunkt der Absage, am 27. Februar, gab es im gesamten Kreis Viersen noch keinen Corona-Verdachtsfall. Das änderte sich am nächsten Tag: Drei Bewohner hatten Kontakt zu einer an Covid-19 erkrankten Person, wiesen allerdings selbst keine Symptome auf. Noch am selben Tag richtete der Kreis Viersen einen Krisenstab ein, um für den Ernstfall vorbereitet zu sein. Viele hatten die Bilder aus Italien vor Augen, auf denen sich die Särge stapelten.
Die Verunsicherung in der Bevölkerung war groß. Es gab keinen Impfstoff. Es gab nur wenige Informationen. Der Kreis Viersen schaltete ein Info-Telefon zur Corona-Pandemie. Hunderte Bürger riefen an.
Am 5. März, dem Tag, als eigentlich die Billard-WM hätte starten sollen, gab es die drei ersten bestätigten Corona-Fälle im Kreis Viersen. Mit betroffen: das Gymnasium St. Wolfhelm in Schwalmtal-Waldniel. Weil ein Schüler Kontakt zu einer infizierten Person hatte, wurde der Unterricht vorzeitig beendet, die 700 Schüler durften zwei weitere Tage zu Hause bleiben. Das Virus war endgültig im Kreis Viersen angekommen, das Corona-Zeitalter angebrochen.
Neue Zeiten brauchen neue Wörter. „Distanzunterricht“, „Inzidenz“, „2G“, „3G“, „Homeoffice“. Doch zunächst kommt ein altes Wort wieder: Quarantäne. Wer Kontakt mit einem Infizierten hatte, muss in häusliche Isolation. Mehr als 50 Menschen sind es bereits am 7. März. Viersens Gastronomiebetriebe berichten von drastischen Umsatzeinbußen.
Wenige Tage später schlagen die Tafeln in Nettetal und Brüggen Alarm: Wegen Hamsterkäufen gehen die Lebensmittelspenden drastisch zurück. In den Supermärkten ist es schwierig, an Toilettenpapier zu gelangen.
Eine Woche später bekommen Tausende Eltern ein Betreuungsproblem: Anders als üblich werden die Kitas während der Osterferien geschlossen, um die Ausbreitung zu verlangsamen. Nur wer in der sogenannten kritischen Infrastruktur arbeitet, darf sein Kind in die Betreuung geben. Auch die Rathäuser im Westkreis machen für den Publikumsverkehr dicht. Und: Der Kreis schickt das CUZ auf die Reise durch den Kreis – das mobile Corona-Untersuchungszentrum. Dort können sich die Menschen aufs Virus testen lassen, bequem an einem Drive-in-Schalter. Das Allgemeine Krankenhaus (AKH) Viersen hat eine Sonderstation für Corona-Patienten eingerichtet, um für den Ansturm gerüstet zu sein. Und: Mitarbeiter des Ordnungsamtes kontrollieren das am 18. März in Kraft getretene Kontaktverbot, werden zu Beginn freundlich begrüßt. Maximal zwei Personen dürfen sich treffen; Familien ausgenommen. In Geschäften ist eine Person auf zehn Quadratmeter Verkaufsfläche erlaubt. Nach einer Woche seien die Leute genervt, berichten Mitarbeiter des Ordnungsamtes.
Das Kontaktverbot kann nicht verhindern, dass Viersen seinen ersten Corona-Toten zu beklagen hat. Ein 87-jähriger Bewohner eines Pflegeheims in Niederkrüchten. In dem Heim waren etliche Bewohner an Covid-19 infiziert und erkrankt. Einen Monat später sind es bereits 30 Covid-19-Patienten im Kreis Viersen, die verstorben sind.
Längst hat das Virus nicht nur die Lungen angegriffen, sondern auch die Psyche. Der Staat greift mit seinen Corona-Maßnahmen tief in die persönlichen Freiheitsrechte ein, so tief wie nie seit Bestehen der Bundesrepublik. Sind sie noch verhältnismäßig? Darüber gehen die Meinungen auseinander.
Auch im Kreis Viersen werden neue Begrüßungsformen eingeübt. Man gibt sich nicht mehr die Hand oder umarmt sich gar. Stattdessen bleibt man zwei Meter voneinander stehen und winkt. Coolere machen Ellbowing. Gesünder ist das. Fünf Jahre nach dem Beginn der Pandemie in Viersen ist das Händeschütteln längst nicht mehr so verbreitet wie davor.
Schützenfeste, Kreis-Wandertag, Kulturprogramme – alles abgesagt, alles verschoben. Schulen gehen auf Distanzunterricht, Bundeswehr-Soldaten helfen bei der Kontaktnachverfolgung. Am 8. Februar 2021, ziemlich genau ein Jahr nach Ausbruch des Virus im Kreis Viersen, öffnet das Impfzentrum in Dülken, erhalten die ersten Bewohner ihre Impfung. Vorbei ist Corona damit aber noch nicht: Erst am 7. April 2023 ist der rechtliche Rahmen für die Corona-Schutzmaßnahmen ausgelaufen.