TV Vorst und Turnerschaft St. Tönis Auch TV Vorst tritt Qualitätsbündnis bei
Tönisvorst · Nach der Turnerschaft St. Tönis hat sich auch der TV Vorst auf den Weg gemacht, einem Bündnis gegen sexualisierte Gewalt beizutreten. Nach wie vor sind sie damit eher eine Ausnahme.
Im Mai 2022 hat Nordrhein-Westfalen als erstes Bundesland ein Landeskinderschutzgesetz verabschiedet. Dieses fordert die Entwicklung, Anwendung und Überprüfung von Schutzkonzepten bei allen Trägern von Angeboten für Kinder und Jugendliche. Auch Sportvereine müssen sich Gedanken machen, wie sie ihre jungen Mitglieder schützen, auch wenn es laut Landessportbund NRW noch keine konkreten Fristen gibt. „Es wird höchste Zeit“, sagt Anke Mühlbeyer, Vorsitzende des Stadtsportverbands Tönisvorst. In der Apfelstadt ist die Turnerschaft St. Tönis bei diesem Thema federführend, beschäftigt sich schon seit zehn Jahren damit. Nun gibt auch der TV Vorst 1878 bekannt, dass er sich auf den Weg gemacht hat, dem sogenannten Qualitätsbündnis des Landessportbundes NRW „Gemeinsam gegen sexualisierte Gewalt im Sport“ beizutreten. Von weiteren Vereinen in der Apfelstadt wisse sie jedoch leider nichts, bedauert Mühlbeyer, dabei sei es gerade in Mehrsparten-Vereinen mit Sportarten mit Körperkontakt wichtig.
Das Bündnis sei eine wichtige Initiative, die Sportvereinen die nötige Orientierung und Unterstützung gebe, präventive Maßnahmen zu ergreifen und sich aktiv gegen sexualisierte Gewalt im Sport einzusetzen, so der TV Vorst in einer Pressemitteilung. Kindern und Jugendlichen einen sicheren Raum zu schaffen, werde vom Verein als gesellschaftliche Aufgabe verstanden und habe bereits immer eine Rolle gespielt. „Daher möchte der TV Vorst beispielhaft voranschreiten und sich dem Qualitätsbündnis anschließen.“
Die gesellschaftliche Verantwortung der Sportvereine sei heute mehr denn je gefragt. „Schon lange geht es um mehr als sportliche Erfolge. Sportvereine leisten einen wertvollen Beitrag zur sozialen, emotionalen und physischen Entwicklung von Kindern und Jugendlichen und unterstützen somit die öffentliche Jugendarbeit in wichtigen gesellschaftlichen Bereichen“, so der TV Vorst weiter. Trainer und Trainerinnen sowie Übungsleiter und Übungsleiterinnen des Vereins steckten mehrmals die Woche viel Zeit und Engagement in die Arbeit mit den Kindern und Jugendlichen.
Übungsleiter und Trainer wurden bereits geschult
In den vergangenen Monaten habe der TV Vorst bereits vieles vorbereitet und einige Kriterien zum Beitritt in das Bündnis erarbeitet und erfüllt. Der Großteil der Trainer, Übungsleiter und Verantwortlichen des TV Vorst sei bereits im November in einer vereinsinternen Schulung zum Thema „Prävention von sexualisierter & interpersoneller Gewalt im Sport“ über den Landessportbund NRW qualifiziert worden. Im nächsten Schritt sollen die einzelnen Mitglieder, insbesondere die Eltern der Jugendabteilungen, über das Präventionskonzept informieren und die Ansprechpartnerinnen der jeweiligen Jugendabteilungen kommunizieren.
Doch wo fängt sexualisierte Gewalt an? Ist es der Klaps auf den Po seitens des Trainers, wenn er eine Spielerin oder einen Spieler aufs Feld schickt? „Entscheidend ist, wie sich die Spielerin oder der Spieler dabei fühlt und ob eine sexuelle Absicht dahinter steckt“, sagt Rolf Nagels, der sich bei der Turnerschaft St. Tönis gemeinsam mit Beate Jacobs um das Thema kümmert. Wichtig sei es, Kinder und Jugendliche dazu zu animieren und zu befähigen, Stopp zu sagen, Grenzen zu setzen und sich gegebenenfalls jemandem anzuvertrauen. „Viele Eltern warnen ihre Kinder vor dem bösen, fremden Mann, aber der ist es in den seltensten Fällen, meist handelt es sich um eine Vertrauensperson“, sagt Nagels.
Bereits vor zehn Jahren habe man mit dem Projekt „Prävention gegen interpersonelle und sexuelle Gewalt“ begonnen, auch ohne dass es dazu einen konkreten Anlass gegeben hätte. Man wolle für die körperliche und seelische Unversehrtheit und Selbstbestimmung der dem Verein anvertrauten Kinder und Jugendlichen eintreten.
Christoph Hülsemann, Vorsitzender der Turnerschaft, sagt, er habe anfangs mit mehr Skepsis im Verein gerechnet. Doch bei einer Infoveranstaltung und auch als der Beitritt zum Bündnis Thema bei der Jahreshauptversammlung war, sei die Zustimmung groß gewesen. „Als mich einige ältere weibliche Mitglieder ansprachen und sagten, dass es gut sei, dass es so etwas endlich gebe, bin ich hellhörig geworden“, sagt Hülsemann. Um dem Bündnis beizutreten, fehlt nur noch eine Satzungsänderung, der die Jahreshauptversammlung aber bereits zugestimmt hat und die nun beim Amtsgericht liege.
Bereits 2014 hat die Turnerschaft einen Ehrenkodex und Verhaltensregeln formuliert, die von allen neuen Übungsleitern und Trainern, die mit Kindern und Jugendlichen arbeiten, unterschrieben werden müssen. Zudem müssen sie ein erweitertes polizeiliches Führungszeugnis vorweisen. Nur wenn das Tabu, über sexualisierte Gewalt zu reden, gebrochen werde und die Verantwortlichen im Sport gemeinsam aufklärten, hinsähen und handelten, könne der Schutz von Kindern und Jugendlichen vor sexualisierter Gewalt erhöht werden, so die Turnerschaft. „Über sexualisierte Gewalt zu sprechen, ist eine große Herausforderung, der wir uns alle stellen müssen – falsche Scham und Peinlichkeit müssen überwunden werden.“