Tönisvorst: Termin beim Beulendoktor

Spezialisten sorgen dafür, dass die Folgen der Hagelschauer nicht mehr zu sehen sind.

Tönisvorst. Im Hintergrund dudelt italienische Musik. Heimatliches Flair für Manuel und Paolo Zucchetti in der recht kahlen Fabrikhalle an der Industriestraße. Ablenkung sucht man vergebens. Schließlich wird hier gearbeitet. Bis auf ein paar Autos ist die Halle leer. Und die Fahrzeuge haben alle eins gemeinsam: Beulen - und zwar viele davon. "Krefelder Sonderprägung" - der letzte Hagelschauer lässt grüßen.

Manuel ist ganz vertieft in seine Arbeit. Prüft, schaut, nimmt Maß. Von innen drückt er mit dem Spezialwerkzeug, einer "Lanze", die Beulen heraus, dann klopft, nein "streichelt" er das Blech von außen wieder gerade - mit einem Hammer aus poliertem Edelstahl, der keine Spuren hinterlässt.

"Das nennt man ,Kaltdrücken’", erklärt Michael Becker, der den Betrieb organisiert, das Verfahren. Sitz der Firma ist eigentlich in Heinsberg. Doch wenn es in Deutschland hagelt, wird das "Beulenzentrum" mobil.

"Die Halle haben wir am Tag nach dem Krefelder Hagelschauer gemietet", sagt Becker. Vor zwei Jahren waren sie auch in Leipzig, als dort faustgroße Körner die Autos penetrierten. "Das war noch viel schlimmer als hier", erinnert sich Becker. Dann lächelt er. "Wir freuen uns nicht, wenn es irgendwo einen Hagelschauer gibt - aber böse sind wir auch nicht."

Zu stark dürfen die Schauer aber nicht sein. Schließlich sind Manuel, sein Vater Paolo und ihre Kollegen Beulendoktoren, keine "Wunderheiler". Es kommt halt auf die Technik an. "Man muss dafür ein Händchen haben", sagt Becker. Nicht jeder Karosseriebauer oder Lackierer sei dafür geeignet. Dafür gibt’s aber auch ehemalige Bankangestellte, die die Kunst beherrschen. Und in südlichen Gefilden ist das Ausbeulen schon längst weit verbreitet.

Zwei Methoden gibt’s: Neben dem "Kaltdrücken" auch die Klebetechnik. Da, wo man nicht mehr so leicht von unten herankommt wie an den Türen oder der Motorhaube. Wer welchen Kleber nimmt und wieviel davon, ist eine Philosophie. "Man sollte nicht versuchen, Manuel und den anderen da rein zu reden", sagt Becker.

Das Ergebnis ist stets das gleiche: Die Beulen sind praktisch verschwunden. Dazu wird ein kleines Kunststoffstück mit einem Spezialkleber versehen und auf die betreffende Stelle geklebt. Kurze Zeit später ist der Kleber fest. Die Beule wird dann buchstäblich herausgezogen - immer einen Tick zu weit. Weil dann wieder geklopft werden kann.

Das ganze Prozedere dauert manchmal - und kostet. Es sei meistens billiger, als die betreffenden Teile nach herkömmlicher Methode ausbeulen und abschleifen zu lassen, betont Becker. Aber es gibt auch die Fälle, wo es sich nicht mehr lohnt. Der alte Volvo, der vor der Tür steht, wäre so ein Kandidat. Gut 70 Einschläge, schätzt Becker, allein auf der Motorhaube.

Rund 700 Euro würde das "sanfte" Ausbeulen kosten. "Für 600 Euro bekommt man aber schon eine neue Haube", weiß Becker. Aber vielleicht findet sich ja bald mal Zeit, das eigene Firmenfahrzeug zu reparieren. Das hatte aus Werbezwecken Aufkleber, die Beulen darstellen sollte. Nach dem zweiten Hagelschauer in Krefeld Mitte Juni sind jetzt echte Beulen dazugekommen...