Fabrik könnte Kulturstandort werden

CDU und Grüne könnten sich eine Nutzung etwa als Ausstellungshalle vorstellen.

Foto: Berns, Woitschützke, Dackweiler

Nordstadt. Die Koalition von CDU und Grünen ist nach wie vor dagegen, in der inzwischen geschlossenen Schraubenfabrik (Whitesell) Flüchtlinge unterzubringen. Sie hat andere Ideen für die Liegenschaft und denkt darüber nach, zumindest einen Teil der Gebäude zu erhalten und zum Beispiel als Ausstellungshalle zu nutzen, in der Dokumente der Neusser Industriegeschichte präsentiert werden. Eine solche Einrichtung, so betonen die Fraktionsvorsitzenden Helga Koenemann (CDU) und Michael Klinkicht (Grüne) in einem gemeinsamen Antrag an den morgen tagenden Planungsausschuss, könnte „die Keimzelle eines Kulturzentrums für die Nordstadt werden“.

Foto: Berns, Woitschützke, Dackweiler

Klinkicht spricht von einem Prüfauftrag. Dass man den Ankauf der Fabrik bislang abgelehnt habe, heiße nicht, dass man an dem Objekt nicht interessiert sei. Das Fabrikgelände sei schon aufgrund seiner Lage für die Stadtentwicklung höchst bedeutsam. Doch vor einem Kauf solle die Altlastenproblematik geprüft und der geforderte Kaufpreis von 3,5 Millionen Euro verifiziert werden. Aber auch wenn die Stadt den Komplex tatsächlich erwirbt, soll sie das nach dem Willen der Koalition nicht tun, um — wie von Bürgermeister Reiner Breuer angeregt — dort in den nächsten 15 Jahren Flüchtlinge unterzubringen.

Foto: Berns, Woitschützke, Dackweiler

Mit ihrem Antrag zur Sicherung von Industrie-Kulturgütern zieht die Politik Konsequenzen aus möglichen Fehlern der Vergangenheit. Als nämlich zum Beispiel die Traktorenfabrik auf der Hafenmole I die Pforten schloss und abgerissen wurde, ging viel verloren, was aus heutiger Sicht vielleicht erhaltenswert gewesen wäre.

Foto: Berns, Woitschützke, Dackweiler

Lediglich einige Traktoren wurden im Kreiskulturzentrum Sinsteden gerettet und dort bis heute betreut. So etwas soll nach der Schließung der Schraubenfabrik nicht noch einmal passieren.

Losgelöst von diesem Antrag soll sich die Verwaltung Gedanken darüber machen, wie generell im Fall von Firmenauflösungen verfahren werden kann — und wo erhaltenswerte Dinge öffentlich präsentiert werden.

Der Antrag der Koalition ist auch intern nicht unumstritten. Ingrid Schäfer, die planungspolitische Sprecherin der CDU, kann dem Thema „Kulturzentrum Nordstadt“ zwar einiges abgewinnen, aber nicht an dem Standort. Und als langjährige Mitarbeiterin des Unternehmens glaubt sie nicht, dass es bei Whitesell noch etwas von Wert geben könnte.

„Alle alten Maschinen wurden schon vor 1990 aus Platzmangel verschrottet“, sagt sie. Und die Fliegerbomben im Zweiten Weltkrieg haben von der alten Bausubstanz und Architektur der Fabrik wenig übrig gelassen. Ihr Vorschlag: Wohnungsbau an der Further Straße und Flüchtlingsunterbringung höchstens im jüngeren Firmenteil zwischen Weißenberger Weg und Karl-Arnold-Straße.

Dass die Belege der industriellen Entwicklung Museumswert haben, zeigen nicht zuletzt Anstrengungen des Landschaftsverbandes, diese als Industriedenkmäler zu erhalten und im Netzwerk „Route der europäischen Industriekultur“ zu präsentieren und öffentlich zugänglich zu machen. Dass andere Städte mehr aus diesem Erbe machen, wie Grünenchef Klinkicht betont, zeigt schon ein Blick zu den Nachbarn: Die Böhler-Hallen in Büderich gelten heute als Top-Veranstaltungsort, und Grevenbroich nutzt die Versandhalle der ehemaligen Baumwollmanufaktur Erckens und Co. heute kulturell. Der Raum, so sagt Kulturamtsleiter Stefan Pelzer-Florack, „ist zu 80 Prozent ausgelastet“.