Neuss: Jung und betrunken in der Klinik

Lukaskrankenhaus: Schon 15 Jungen und Mädchen wurden in diesem Jahr ausgenüchtert.

Neuss. Sie werden am Wochenende gebracht, während des Schützenfestes, zu Karneval, nach Abi-Partys. Sinnlos betrunken landen Jungen und Mädchen in der Klinik für Kinder und Jugendliche des Lukaskrankenhauses. Immer mehr, immer jünger. Was als Komasaufen Schlagzeilen macht, was nach der Flat-Rate-Party übrigbleibt - die Resultate sehen Chefarzt Professor Peter Gonne Kühl und sein Team in all ihrer traurigen Konsequenz.

Das macht den Mediziner mal zornig, mal bitter. Adressat seines Ärgers sind in erster Linie die Eltern. "Das Schlimmste ist das Wegsehen", sagt er. Gar nicht selten kommt es vor, dass jemand aus der Klinik Vater oder Mutter benachrichtigt, bittet, das Kind abzuholen - und sich anhören muss: "Ich bin selbst betrunken." Oder: "Es passt gerade nicht. Warum schicken Sie nicht einen Krankenwagen?" Keine Einzelfälle, betont Peter Kühl.

Und die Einlieferungszahlen steigen. Zehn Jugendliche wurden vor fünf Jahren völlig betrunken stationär aufgenommen, fast nur Jungen. 49Jugendliche waren es 2008, und in diesem Jahr sind schon 15 Betrunkene in der Kinderklinik gelandet. Die Mädchen haben inzwischen "aufgeholt" und stellen die Hälfte dieser Patienten. Sie kommen unterkühlt in der Klinik an, einige randalieren und stören massiv den Klinikbetrieb, andere sind völlig weggetreten.

Sie werden ausgenüchtert, bekommen Infusionen. "Der Nachteil: Sie haben dann am nächsten Morgen keinen Kater", sagt Kühl. Er wundert sich noch immer, wie unbekümmert die meisten Jugendlichen eine solche Kliniknacht wegstecken. "Da müssen die Schwestern sie aus offensichtlichen Gründen in Windeln stecken, da ist die Kleidung beschmutzt - alles egal."

Der Arzt vermeidet aber direkte Schuldzuweisungen. "Kinder sind Symptomträger der Familie", sagt er und verweist auch auf drastische "Vorbilder", etwa Besäufnisse "auf großen Volksfesten". Und schließlich wundert er sich. So registriert er eine wahre Regelungswut auf vielen Gebieten. "Aber die Flat-Rate-Partys sind nach wie vor legal."