Wenig Gräber von Moslems

24 Beerdigungen nach muslimischem Brauch seit 1997.

Neuss. Der Friedhof ist für Moslems mehr als nur ein Bestattungsplatz. Sie erwarten die Auferstehung, die Toten sind daher nach der Gebetsrichtung (Qibla) zur Kaaba in Mekka hin ausgerichtet. In Neuss leben etwa 9.000 Muslime. Auch hier wird ihnen auf kommunalen Friedhöfen eine Beerdigung entsprechend ihrer Vorschriften ermöglicht. Genutzt wird das kaum.

"Zunächst wird der Verstorbene gereinigt", erläutert Vorbeter Veysel Özturk von der türkischen Moschee des gemeinnützigen türkischen Kulturvereins an der Römerstraße. Dann wird er in ein weißes Tuch gehüllt und meist ohne Sarg in das Grab gelegt. "Der Körper sollte mit dem Boden Kontakt haben", sagt der Imam. Die Beerdigung muss so schnell wie möglich erfolgen.

Vor mehr als zehn Jahren beschloss der Stadtrat, eine Fläche auf dem Hauptfriedhof an der Rheydter Straße für muslimische Bestattungen zur Verfügung zu stellen. Auf etwa 500 Quadratmetern wird auf Feld 98 ein Fläche für islamische Gläubige bereitgehalten. Für die Reinigung der Toten steht auf dem Friedhof ein Gebäude zur Verfügung.

"Am 30. April 1997 hatten wir die erste muslimische Bestattung", erinnert sich Hans-Joachim Schrödter, technischer Leiter der Friedhöfe. Seit 2004 ist es möglich, "im Einzelfall aus nachgewiesenen ethischen oder religiösen Gründen" auch ohne Sarg bestattet zu werden. In den vergangenen elf Jahren gab es 23 weitere muslimische Bestattungen - alle mit Sarg.

Die übergroße Mehrheit der Muslime in Neuss nutzt demnach dieses Angebot nicht. "Viele wollen sich in ihrer Heimaterde bestatten lassen", weiß Waltraud Beyen, Vorsitzende des Deutsch-Türkischen Forums in Neuss.

Um das möglich zu machen, haben sich Firmen gegründet, die für die Familien einschließlich der Behördengänge alles organisieren. Die Kosten werden durch einen Fonds bezahlt. "Es wird einmal im Jahr eine Summe eingezahlt", so Deniz Davarci, Vorsitzender des Bundes türkischer Vereine in Neuss.

Trotz der Transportkosten sei die Überführung in die Türkei preiswerter als eine Beerdigung in Deutschland, sagt Waltraud Beyen. Das liegt unter anderem daran, dass in der Türkei keine Gebühren für die Grabfläche erhoben werden.

Doch die Kosten seien nicht der Hauptgrund, meint Davarci. "Die Toten sollen ewige Ruhe finden. Sie sollen für immer an der Stelle bleiben, wo sie beerdigt wurden." Die deutsche Tradition, eine Grabstätte 20 Jahre zu nutzen und dann wieder zu verwenden, widerspricht der türkischen.

"Wir haben durchschnittlich zwei muslimische Beerdigungen im Jahr. Eine Nachbelegung ist im Moment nicht absehbar", sagt Schrödter. Sollte es einmal soweit sein, würden die Gebeine tiefer gelegt, jedoch im Grab belassen.

Für Davarci ist der entscheidende Grund für eine Beisetzung in der Türkei die Familie. "Es ist Brauch, die Toten regelmäßig zu beehren", sagt Davarci. "Solange es starke Bindungen in die Türkei gibt, will man dort begraben werden."

Die 24 Muslime, die auf dem Hauptfriedhof begraben sind, sind vor allem Kinder oder Menschen, die keine Angehörigen mehr haben. Doch Waltraud Beyen glaubt, dass künftige Generationen Grabstätten in Deutschland nutzen werden. Das sieht Davarci ähnlich: "Es gibt einen Generationenwandel. Die Entscheidung wird danach getroffen, wo der Großteil der Familie ist."