Antiterrordatei: Unverhältnismäßige Datensammelei

Karlsruhe fordert Nachbesserung an der Antiterrordatei

Ein wesentlicher Rechtsgrundsatz in Deutschland ist das Prinzip der Verhältnismäßigkeit. Obwohl es Verfassungsrang genießt, hat der Gesetzgeber sich in den vergangenen Jahren einiges einfallen lassen, es auszuhebeln. Beispielsweise mit der sogenannten Antiterrordatei, die es rund 60 Behörden im Bund und in den Ländern seit knapp sechs Jahren gestattet, auf zentral gespeicherte Informationen über gewaltbereite Extremisten zuzugreifen. An der Existenz dieser Datei haben die Karlsruher Richter mit ihrem Urteil vom Mittwoch nichts auszusetzen. Wohl aber am Umgang mit den Daten — auch und vor allem mit dem ausufernden Umfang der Datei.

Denn eins ist diese behördliche Datensammelei ganz sicher nicht — verhältnismäßig. Dies zeigt ein nüchterner Blick auf die Zahlen. Rund 18 000 Menschen sind in irgendeiner Form erfasst, der harte Kern der möglichen Gewalttäter zählt aber kaum mehr als 400 Köpfe. Um eine eindeutige Definition der zu erfassenden Menschen — also um Transparenz — scheint man sich vor Einführung der Datei wenig Gedanken gemacht zu haben.

Mit rechtsstaatlichem Denken und Handeln zumindest ist nicht zu erklären, dass Menschen in der Antiterrordatei landen (können), nur weil ein Nachbar, Arbeitskollege oder der Sportpartner möglicherweise mit den falschen Leuten telefoniert oder an einer umstrittenen Demonstration teilgenommen hat. Die Konsequenzen für unbescholtene Menschen, die plötzlich als „Kontaktperson“ geführt werden, sind gar nicht abzusehen. Auch und gerade wegen der Vielzahl der Behörden, die bisher auf die gehorteten Daten zugreifen konnten.

Damit keine Missverständnisse aufkommen: Selbstverständlich muss der Staat ein Auge auf diejenigen haben, die Anschläge planen, Terror gutheißen oder unterstützen. Das hat das Verfassungsgericht klargestellt. Bloß kann er das künftig nicht so machen, wie er es bisher getan hat — mit einer Datensammelei, die an Aktionismus grenzt.

Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) ist gut beraten, die monierten Punkte nicht als Detailfragen abzutun. Das Urteil hat mehr politisches Gewicht, als er eingestehen möchte: Denn wieder einmal mussten Verfassungsrichter aufzeigen, wo im Land die Grenzen zwischen Freiheit und Sicherheit verlaufen.