Bei der Altenpflege droht der Notstand

In den kommenden zehn Jahren fehlen 300.000 Fachkräfte

Es geht um viel Geld, und deshalb schleichen die Koalitionspolitiker um das Thema herum wie die Katze um den heißen Brei. Die Rede ist von einer Reform der Pflegeversicherung, die Schwarz-Gelb am liebsten in die nächste Legislaturperiode verschieben möchte. Nur der Notstand in der Altenpflege — der wächst unaufhaltsam.

Bereits heute, so sagt der Bundesverband der privaten sozialen Dienste, fehlen in Deutschland 30.000 ausgebildete Altenpfleger. In zehn Jahren werden es bereits 300.000 sein. Private Dienste betreuen rund ein Viertel aller Pflegebedürftigen; das Geld dafür kommt, wie auch für das Personal der Wohlfahrtsverbände und Kommunen, überwiegend aus der Pflegeversicherung.

Die aber lebt von der Hand in den Mund, hat keinen Kapitalstock und kann eine menschenwürdige Versorgung kaum noch und demnächst wohl gar nicht mehr finanzieren.

Nein, das Dilemma lässt sich nicht auf das Ausbleiben der Zivis reduzieren. Altenpflege ist eine Aufgabe für Fachkräfte, ein Knochenjob, körperlich und psychisch. Wer möchte den schon leisten, nach drei Jahren Ausbildung für 8,50 Euro Mindestlohn?

Bereits heute sind die Zeitvorgaben im Pflegegeschäft atemberaubend. Alles muss schnell gehen, für menschliche Zuwendung bleibt wenig Raum. Medikamentengaben werden schon mal vergessen, Ansprechpartner wechseln häufig. Patienten, die altersbedingt schlecht hören, werden zuweilen in gebrochenem Deutsch angesprochen und verstehen am Ende gar nichts mehr.

Deutsche wollen nicht in die Pflege, polnische Kräfte sind ohnehin schon bei uns tätig — verstärkt sollen Hilfskräfte aus Serbien, Kroatien und von den Philippinen angeworben werden. Wer meint, das ginge ihn nichts an: Allein in NRW wird für 2050 mit einer halben Million Einwohnern gerechnet, die über 80 sind und fremde Hilfe benötigen. Die sind heute Anfang 40.

Die Menschen in der Altenpflege brauchen eine qualifizierte Ausbildung, gute deutsche Sprachkenntnisse und wirtschaftlich attraktive Zukunftsperspektiven. Das Problem darf nicht länger auf die lange Bank geschoben werden — vom Tage, an dem akzeptable Rahmenbedingungen geschaffen sind, vergehen drei Jahre, bis neu ausgebildete Pflegekräfte ihren verantwortlichen Dienst am Patienten beginnen.