Endlich mit einer Stimme sprechen
Ein warmes Europa von Putins Gnaden? "Frage falsch gestellt", würde Moskau sagen und mit dem Finger auf die (angeblich) Schuldigen in Kiew zeigen. Die Ukrainer wollten - so die Russen - unbedingt in die EU und womöglich auch in die Nato, sie verabschiedeten sich damit aus dem russischen Imperium, wollten aber nicht den Preis dafür zahlen.
Den Gaspreis nämlich, den die EU-Europäer pro Kubikmeter berappen müssen. Da haben die Russen recht. Wer kann aber sagen, ob Moskau Gas sperrt oder Kiew Gas klaut? Da ist Kontrolle besser. Am besten durch Beobachter-Missionen, die ab jetzt jeden Winter vor Ort sein sollen.
Die Vorgänge machen den Europäern zugleich ein anderes Problem bewusst: Moskau ist heute ohne Wimpernzucken bereit, ganze Volkswirtschaften ins Straucheln zu bringen. Regierungschef Wladimir Putin tut heute, was er den Europäern im Oktober 2006 im finnischen Lahti beim EU-Gipfeltreffen ankündigte, als er noch Präsident war: Energiepolitik als Machtpolitik ohne besondere Rücksichten - damals bestärkt von explodierenden Öl- und Gaspreisen und mit dem Hinweis: Wir können unser Gas auch nach China verkaufen statt nach Europa.
Die Antwort der EU-Regierungen heißt seither: Wir müssen "mit einer Stimme" sprechen. Leider wurde daraus bis heute nichts. Polen wettert gegen die geplante Nordstream-Pipeline, die wenigstens die Abhängigkeit von einem Durchleiter beseitigen würde, übersteht aber die aktuelle Krise nur mit Hilfe weißrussischer Pipelines. Bulgarien will ein altes Atomkraftwerk reaktivieren - nachdem es erst vor kurzem Teile seiner Energieinfrastruktur an den großen Bruder in Moskau verkauft hat. Statt ein dichteres und flexibleres Röhrennetz in Europa zu legen, verbarrikadieren die regionalen und nationalen Energieriesen ihre Territorien vor Wettbewerbern.
Würden nicht so viele Menschen wegen des Gaskonflikts frieren, so müsste man den rücksichtslosen Zockern in Moskau und Kiew dankbar sein für den heilsamen Druck auf die Politiker in den EU-Hauptstädten. Sie müssen endlich ihre Energie-Infrastruktur so ausbauen, dass Europa nicht mehr erpressbar ist durch einzelne Gasproduzenten oder Transitländer.