Wie man die europäische Idee zerstört

Die Iren sollen offenbar so lange abstimmen, bis es passt.

Alles oder nichts: So also sieht die "Lösung" in der EU-Krise aus. Offenbar wird die irische Regierung ihrem Volk bei einer zweiten Volksabstimmung erneut den Lissabon-Vertrag vorlegen, diesmal aber verbunden mit der Frage, ob Irland überhaupt Mitglied der EU bleiben soll. Dass die Verantwortlichen den Plan so lange wie möglich geheim halten wollten, spricht für ihr schlechtes Gewissen. Denn das Vorhaben ist höchst undemokratisch und zudem äußerst gefährlich.

In Dublin, Brüssel und den anderen europäischen Hauptstädten ist man der Meinung, dass der irische Souverän "falsch" entschieden hat, und leitet daraus das Recht ab, die Iren schlicht erpressen zu können. In Wahrheit hat natürlich nicht das Volk versagt, sondern die Regierenden im In- und Ausland.

Den größten Bock hatte der irische Premier Brian Cowen geschossen, als er vor dem Referendum öffentlich zugab, er habe den Lissabon-Vertrag zwar "nicht gelesen, aber verhandelt". Hinzu kam zweifelhafte Unterstützung aus Paris.

Der französische Außenminister Bernard Kouchner forderte die Iren auf, doch bitteschön nicht jene Hand zu beißen, die sie ernährt, sprich: etwas dankbarer für die üppigen EU-Subventionen zu sein. Das war nicht nur undiplomatisch. Das war abstoßend arrogant. So gewinnt man die Menschen nicht für die europäische Sache.

Auch die Bundeskanzlerin hat sich in dieser Hinsicht nicht mit Ruhm bekleckert. Wie sich jetzt zeigt, war Merkels Reaktion, die Iren im Boot halten zu wollen und alle Überlegungen eines Europas der zwei Geschwindigkeiten abzubügeln, nur vorgespielt liberal. Hinter den Kulissen hat sie dem irischen Regierungschef die Pistole auf die Brust gesetzt: Wenn ihr euch den Regeln nicht unterwerft, dürft ihr gar nicht mehr mitspielen. Friss oder stirb, alles oder nichts!

Das zweite Referendum würde sich nun nahtlos in diese Serie der Dummheiten einreihen. Es wäre nicht verwunderlich, wenn sich die Iren - derart unter Druck gesetzt - diesmal komplett gegen die EU wenden. Ein solches Erdbeben würde Europa, das sich zuerst als solidarische Gemeinschaft verstehen sollte, im Kern erschüttern. Auch andere Völker würden dann auf die Frage, was sie von der EU halten, antworten: Alles nichts, oder?!