Bahn-Streik: Das Chaos bleibt aus

Zugverkehr: In Kempen und Nettetal fallen Züge aus, es gibt Verspätungen. Die Bahnfahrer reagieren entspannt.

Kempen/Nettetal. Der Streik der Lokführer traf Freitagvormittag viele Bahnkunden auf dem Kempener Bahnhof. Der Niers-Express von Kleve nach Düsseldorf fuhr nur noch stündlich statt halbstündlich. Eine WZ-Blitzumfrage ergab: Die Reaktionen waren unterschiedlich - gelassen nahmen es die einen, verärgert waren die anderen.

"Wir kommen aus Anrath und wollten mit der ganzen Familie nach Gelsenkirchen fahren", ärgert sich Katrin Anders. Die kleineren Kinder habe sie wegen der Verspätung schon nach Hause geschickt. Nun fährt sie mit der großen Tochter Marleen allein nach Düsseldorf, um sich dort einen schönen Tag zu machen. "Wenn wir denn dort angkommen . . .", fügt Katrin Anders hinzu.

Auch Manfred und Maria Zegers schütteln den Kopf über die unerwartete Verschnaufpause am Bahnsteig. "Wir fahren sonst immer mit dem Auto. Heute hatten wir mal ein bisschen Zeit und dachten, wir fahren mal mit dem Zug nach Düsseldorf", erzählen die Wankumer.

Andere Fahrgäste zeigen sich entspannt. "Wie ein Ferientag", finden Rita Lamprecht aus Grefrath und ihre Reisetruppe, die auf dem Weg nach Aachen ist. Mit einem Brötchen in der Hand und der Sonne im Gesicht lassen sie es sich während der Wartezeit gut gehen. "Als Rentner hat man ja eine Menge Zeit", schmunzelt auch Gerd Voss aus Tönisberg, der sich zur Ablenkung in seine Zeitung vertieft.

Nur wenige Minuten Verspätung hat der Zug aus Krefeld, mit dem Christian Fischer in Kempen angekommen ist. "In Krefeld an der Info-Stelle war es voll", erzählt der Nettetaler. Er selbst ist aber ganz entspannt, hat sich auf längere Wartezeiten eingestellt.

Und wie sieht’s in Nettetal aus? Trotz Lokführer-Streik keine besonderen Vorkommnisse auf den Bahnhöfen in Breyell und Kaldenkirchen.

Gut zwei Dutzend Fahrräder sind an den beiden Bahnhöfen abgestellt. Nur die P+R-Parkplätze sind weniger belegt als sonst freitags. "Mein Sohn arbeitet in Düsseldorf. Er fährt immer mit dem Zug. Heute ist er mit dem Auto gefahren. Man weiß ja nie", bemerkt eine rüstige Mitt-Sechzigerin in Kaldenkirchen. Sie will nach Mönchengladbach zum Einkaufen. "Ich habe ja Zeit, wenn der Zug etwas später kommt. Macht nix."

Unnötige Wartezeiten auf zugigen Bahnhöfen will sich hingegen eine Verkäuferin aus Breyell ersparen. "Zur Arbeit fahre ich immer mit dem Auto. Wegen der Herbstferien wollten wir mit einigen Freundinnen heute eine Shopping-Tour nach Düsseldorf mit der Bahn unternehmen. Die haben wir um einen Tag auf Samstag verschoben." Und fügt hinzu: "Wir hoffen, dass dann die Züge wieder normal fahren."

Weniger Personenzüge, aber mehr Güterzüge als sonst - das ist der Eindruck eines pensionierten Eisenbahners auf dem Bahnhof in Kaldenkirchen. Der wundert sich, dass zwischen 9.15 und 9.45 Uhr ein aus Richtung Venlo/ Niederlande eingefahrener langer Güterzug mit einer schwere Diesel-Lok der Privatbahn ERS Railway am Bahnsteig 3 mit dröhnendem Motor vor einem Haltesignal hält.

Die beiden Lokführer lachen. "Wir streiken nicht, aber die Deutsche Bahn lässt uns warten." Da nutzt auch der Werbespruch von ERS Railways auf der Lok nichts: "We have the connections".

Beziehungen nutzen auch den Privatkunden der Bahn nichts. Die DB hat einen Notfall-Fahrplan eingerichtet - und der scheint mehr Züge stillgelegt zu haben als der Lokführer-Streik. Über den regt sich in Nettetal anscheinend niemand auf. Die wenigen Wartenden nehmen es gelassen. "Die Bahn kommt immer mal zu spät", meint eine Studentin.

Beginn Das Arbeitsgericht Chemnitz entscheidet um 2 Uhr in der Nacht zu gestern, dass die Mitglieder der Gewerkschaft der Lokführer (GDL) im Nahverkehr streiken dürfen, nicht aber im Güter- und Fernverkehr. Um 8 Uhr beginnt der dreistündige Streik, mit dem die Lokführer für mehr Lohn kämpfen.

Ersatzplan Mit einem Ersatzfahrplan will die Bahn den Zugverkehr aufrechterhalten. Nicht-GDL-Mitglieder und verbeamtete Lokführer fahren einen Teil der Nah- und Fernverkehrszüge. Dieser Plan tritt um 4 Uhr in Kraft.

Folgen Bundesweit fahren gut 20 000 statt sonst 40 000 Züge. Wer einen früheren Zug nehmen will, um den Streik zu umgehen, hat oft Pech, weil diese aufgrund des Ersatzplanes nicht fährt.