Perlen der Architektur geliftet
Altstadt-Geflüster: Alte Häuser werden aufwändig und behutsam restauriert. Ferner im Fokus: Rampe zu von Loe, Oldies, blauer Dunst.
Kempen. Gehörte das Haus der Kempener Lichtspiele am Buttermarkt mal einem jüdischen Seidenfabrikanten? Die Kempener Pogromnacht war doch am 10. und nicht am 9. November 1938, wie häufig irrtümlich berichtet. Mit derartigen Themen beschäftigt sich Tina Hellmich am liebsten. Deshalb macht die 41-Jährige bei ihrer heutigen Stadtführung auch einen Stopp am Buttermarkt und spricht an der Gedenk-Stele am Rathaus über das Schicksal der jüdischen Mitbürger in Kempen. "Aber es werden auch andere Bereiche beleuchtet", freut sich die Hobby-Historikerin auf geneigte Zuhörer. Treffpunkt ist um 15 Uhr am Museum, Burgstraße 19. Die Teilnahme am anderthalbstündigen Rundgang kostet zwei Euro.
Horst Kockers (Foto) bedient neuerdings hinter seiner Theke auch einen Babyflaschenwärmer. Nicht, weil seine Gäste an der Neustraße 25 immer jünger würden. Viemehr ist der Wirt der gemütlichen Pinte Zur Altstadt auch darauf aus, dass sich kühle Blonde ein bisschen für seine Kunden erwärmen: Für bestimme Stammgäste, deren Liebe zum Gerstensaft natürlich auch durch den Magen geht, wo aber der Magen von der üblichen Trinktemperatur kalt erwischt wird. Deshalb stellt Kockers auf Wunsch Biergläser in seinen neuen Pulla-Heizer. Und er verrät: "Die besten Ergebnisse erzielen wir bei Wärmestufe 4." Na dann: wohltemperiertes Prost!
Dieser Tage ist das Gerüst vor dem Geks-Haus an der Alten Schulstraße gefallen. Womit Kempens Top-Fachwerkmeile mithin kein Nadelöhr mehr ist für den nahen St. Martins-Zug - nur noch vier Wochen. Die Backstein-Fassade des alten Metzgerei-Hauses kann sich schon sehen lassen, der Neubau zum Haus Nr. 18 hin fügt sich nahtlos in das Straßenbild ein.
Ein weiteres Beispiel herausragender Kemp’scher Liebe zum Detail in architektonischen Belangen ist die Häuserzeile Mülhauser Straße 24, 26 und 28. An den mit Renaissance-Elementen verzierten Stuck-Fassaden ist jetzt nach mehrmonatiger Restaurierung das Gerüst gefallen. Das vierte Stadthaus Nr. 22 ist ohnehin noch gut in Schuss, so dass sich dem geneigten Betrachter gegenüber Schuster Leenen und einen Steinwurf von der Arnold-Janssen-Kapelle ein wunderbares Ensemble präsentiert. Das Quartett legt Zeugnis ab von Kempener Baukunst Ende des 19. Jahrhunderts.
Von der üppigen Farb- und Formenvielfalt der Mülhauser Straße nun zum schlichten Neubau am Möhlenwall 2. Eine Malerkolonne trägt zurzeit am Haus des Architekturbüros Pastor einen neuen Weiß-Anstrich auf. "Alte Kempener wissen, dass an dieser Stelle immer das Weiße Haus gestanden hat. Dabei belasse ich es deshalb auch", verweist Martin R. Pastor auf die Tradition an dieser prominenten Stelle neben Kuhtor, Stadtmauer und Aretz-Villa. Der Anstrich indes sei nach sieben Jahren nötig gewesen: "Der Putz war fehlerhaft, so dass sich eine Art Rost gebildet hatte", beschreibt der Architekt.
Wenn der Sommer auszieht, ziehen die Girls der Millibar die Lederhosen an: Der goldene Oktober steht im Keller-Etablissement am Studentenacker 3 im Zeichen von bajuwarischen Tabledance-Acts mit fast schon artistischen Einlagen.
Schweren Herzens schließt Renate Aengenendt ihr Geschäft Oliver’s Jeans-Shop. "Es hat sich nicht mehr gerechnet", seufzt die Kempenerin, die den Laden vor fünf Jahren von Gisela Göpfert übernommen hat. Wenn der Räumungsverkauf mit Rabatten bis zu 50 Prozent weiterhin so gut läuft, gehen an der Burgstraße 3 bereits Ende November die Lichter aus. Im März 2008 gehen sie unter anderen Vorzeichen wieder an: Lederwaren Müllenhoff zieht von der Engerstraße 54 um die Ecke zur Burgstraße 3. Grund für diesen Wechsel: An der Engerstraße 54 steht eine Sanierung ins Haus. Gute Nachricht: Mit Müllenhoff bleibt der Altstadt ein Traditionsgeschäft erhalten.
Erstaunlich schnell fertig geworden ist die behindertengerechte Rampe, die Fußgängern, Radlern und Rollifahrern von der Burg-/Thomasstraße den Zugang in den Burgpark zur von-Loe-Wiese erleichtert. Im Rahmen der Maßnahme "Arbeit & Lernen" haben arbeitslose Jugendliche das rote Pflaster fachgerecht in den Splitt geklopft. Seit Ende Februar gehen die jungen Leute im Burgpark beherzt ans Werk. Zunächst wurde aus dem Grasmorast rund um von Loe ein Platz mit Naturstein-Pflaster und Holzbänken. Schließlich hat Felix von Loe (1825-1896) vor 125 Jahren in Kempen den Bauernverband gegründet - ein Jubiläum, das in knapp vier Wochen unter ministerieller Beteiligung gefeiert wird.
"Nach 21 Jahren musste mal ein neues, pfiffiges Logo her." Armin Horst und sein Restaurant Ellen-Poort zeigen seit einigen Tagen "Flagge": Ein neues Schild prangt am Haus Ellenstraße 35, bordeauxrot leuchtet die alte Ellen-Poort auf dem Metall. "Wir führen dieses neue Logo natürlich auch sonst - auf Flyern, Briefköpfen, T-Shirts unserer Bediensteten und demnächst auf der neuen Speisekarte", berichtet der 48-Jährige. 1986 hat der gebürtige Mülhausener das Restaurant mit gutbürgerlicher Küche eröffnet, vor sieben Jahr kam das benachbarte Bierlokal Treppchen dazu. Die Namensspenderin Ellen-Poort - Poort steht für Tor oder Pforte - ist übrigens ein altes Stadttor, das anders als das Kuhtor den Sprung in die Moderne nicht geschafft hat und in den Wirren des Mittelalters in Schutt und Asche gelegt wurde.
Apropos Treppchen: Oldie-Abende erfreuen sich in der Altstadt großer Beliebtheit. Nächsten Freitag gibt’s in dieser urigen Pinte wieder was Gutes auf die Ohren. DJ Olaf Neumann legt im Lokal an der Ellenstraße 35 dufte Mucke auf. Eintritt frei - und wer blitzschnell die Titel rät, gewinnt eine CD. Ab 21 Uhr heißt es "Oldies but Goldies".
Nun ist es beschlossene Sache: Die Kreis- und Stadtbibliothek geht 2009 in die alleinige Trägerschaft der Stadt über. "Auf der einen Seite bin ich traurig, auf der anderen Seite ist es eine gute Entwicklung", findet Lothar Pfau, ehemaliger Leiter der Bibliothek. Der Kempener hat die Bücherei mit aufgebaut - "da ist es schade, zu sehen, dass die Arbeit des Kreises in Sachen Literaturversorgung nun zurückgefahren wird." Anderseits sei die Aufgabe des Bücherbusses positiv zu sehen, sofern die betroffenen Gemeinden eigene Bibliotheken aufbauen. "Eine Standortbücherei ist immer besser als eine fahrbare, die im Zweifel immer dann da ist, wenn man gerade keine Zeit hat", sagt der ehemalige Bergmann, der vor seinem Studium jahrelang ehrenamtlich im Büchereiwesen tätig war.
Fürs Thema Rauchverbot in der Gastronomie will Hans-Peter Friedrich (Foto) Kempens Bürgermeister Karl Hensel sensibilisieren. Friedrich, Ortsstellen-Vorsitzender des Hotel- und Gaststätten-Verbandes (Dehoga), verweist auf Aspekte wie Existenzangst der Wirte, aber auch Belästigung der Anwohner, wenn sich vor Lokalen Trauben von rauchenden Gästen bilden. Besondere Brisanz gewinne das aktuelle Thema vor dem Hintergrund einer mit Pinten, Cafés und Restaurants reich ausgestatteten Altstadt wie Kempen. Friedrich appelliert an Hensel, das Reizthema Rauchen mit Augenmaß im politischen Raum zu transportieren.
Wenn Ihnen morgen etwas fehlen sollte, dann kennen wir den Grund: Erstmals seit 40 Jahren findet am ersten Oktober-Sonntag kein Radrennen "Rund um die Burg" statt. Das Fiasko im Radrennsport mit vielen Dopingfällen hatten den veranstaltenden Radsportclub und den Sponsor Griesson-de Beukelaer dazu bewogen, das 40. Jubiläumsrennen vorerst zu canceln.