Denkmäler in Kempen Die Geschichte der Kempener Kolpinghäuser

<irglyphscale style="font-stretch 100125%;">Kempen </irglyphscale> · Viele Kempener kennen das Kolpinghaus an der Peterstraße vor allem durch Veranstaltungen. Das Gebäude an der Ecke zum Hessenwall wurde 1981 gebaut. Es war nicht das erste Kolpinghaus in Kempen.

Viele Kempener und ihre Gäste kennen das Kolpinghaus an der Peterstraße, Ecke Hessenwall, vor allem durch die Veranstaltungen, die dort stattfinden.

Foto: Norbert Prümen

Mit ihren drei Vereinsheimen hat die Kolpingsfamilie die Geschichte der Stadt in besonderer Weise geprägt. Nachzulesen ist das im 2006 erschienenen Buch der Kempener Historikerin Ina Germes-Dohmen „Gott segne das ehrbare Handwerk“. Hintergrund für die Gründung des Gesellenvereins waren die veränderten Lebensbedingungen für Handwerksgesellen.

Eine Ursache war der Wegfall der Zunftordnung zu Anfang des 19. Jahrhunderts. Ohne feste Regeln war die Ausbildung der Gesellen nunmehr völlig unzureichend. Gesellen auf Wanderschaft lebten nicht mehr in den Meisterfamilien, sondern in kostspieligen Gasthäusern. Materielle Not und soziale Haltlosigkeit waren die Folge.

Eine zweite Ursache: die industrielle Revolution, die sich seit der Mitte des 19. Jahrhunderts vollzog. Mit Dampfmaschinen betriebene Fabriken entzogen dem Handwerk mehr und mehr die wirtschaftliche Basis. Da hatte der Kölner Priester Adolph Kolping (1813-1865) die Idee, den haltlosen jungen Handwerkern durch die Gründung katholischer Gesellenvereine eine Heimat zu bieten. Deren Schutzpatron war der heilige Josef, ein Zimmermann. Nach der Gründung eines ersten Gesellenvereins in Elberfeld gründeten am Josefstag, dem 1. Mai 1856, 18 Gesellen unter Kaplan Kisselstein den katholischen Gesellenverein in Kempen.

Kolping strebte Gesellenhäuser an, in denen die jungen Handwerker sich religiös, politisch und fachlich weiterbilden konnten. Auch die Kempener Kolping-Brüder suchten nun Heime für ihre Zusammenkünfte. Ihre Vereinslokale fanden sie zunächst in Gaststätten. Am 18. November 1866 bezog der Kempener Verein, von der katholischen Pfarrgemeinde St. Marien und dem weit bekannten Goldschmied Franz Xaver Hellner gefördert, ein eigenes Haus an der heutigen Heilig-Geist-Straße 6.

Das Kolpinghaus, 1906/1907 an der Ecke Hessenwall/Oelstraße errichtet, wurde 1981 abgerissen. Was kaum jemand weiß: In Kempen war es bereits das zweite Gesellenheim.

Foto: Fotoarchiv Werner Beckers

1869 wurde hier ein Nebengebäude zum Veranstaltungssaal mit Bühne umgebaut. 1991 trug die Stadt Kempen das Gebäude in ihre Denkmalliste ein. An seiner Fassade weisen zwei Tafeln auf seine frühere Bestimmung als Gesellenheim hin: „Zu Gottes Ehr/ Dem Teufel zum Trutz/ Der Jugend zur Lehr/ Der Stadt zum Nutz“, heißt es da.

Auf Dauer erwies sich das erste Kolpinghaus als zu klein. 40 Jahre nach seiner Inbetriebnahme plante der Gesellenverein einen Neubau an der Ecke Hessenwall/Oelstraße. Das neue Haus, ein geräumiger Bau mit großem Saal und Kegelbahnen im Keller, entstand im Garten des Kempener Waisenhauses, Vorgänger des heutigen Annenhofes, auf einem Grundstück der katholischen Pfarrgemeinde. Die lieh dem Kolping-Verein auch das fehlende Baukapital – was erneut die enge Verbindung Kolping und Kirche zeigt.

Am 25. August 1906 erfolgte der Spatenstich; am 18. August 1907, zum 50. Stiftungsfest des Kempener Gesellenvereins, war Einweihung. Dazu hatten die Kempener Bürger ihre Straßen mit Fahnen, Kränzen und Girlanden festlich geschmückt. Im Neubau an der Oelstraße wie im Vorgängerhaus an der Heilig-Geist-Straße fand ein reiches Vereinsleben statt: Vorträge und Feste, Theater, Turnen und bis zu sechs Karnevalssitzungen im Jahr.

Das erste und das zweite Kolpinghaus waren vor allem Bildungseinrichtungen für die Gesellen, mit unentgeltlichen Abendkursen, durchgeführt von Kempener Lehrern. Ältere Handwerker standen den jungen, ledigen Männern bei allen möglichen Lebensfragen zur Verfügung. 1935 wurde der Verein in Kolpingsfamilie umbenannt und war nun offen für Männer unterschiedlicher Schichten und Alters. Ab 1966 durften dem Verein auch Frauen und Mädchen beitreten, ab 1976 auch in Kempen. In den 1970er Jahren zeigte sich: Das bisherige Vereinsheim an der Oelstraße war marode. 1979 bis 1981 entstand ein neues Kolpinghaus, entworfen vom Kempener Architekten Heinz Cobbers.

Maroder Bestand: Ein neues Vereinsheim muss her

Ausgangspunkt für das neue Kolping-Gebäude wurde das historische Haus Ludowigs, Peterstraße 24. Das hatte bisher ein Geschäft, den Kempener Konsum, und Wohnungen enthalten. Das alte Kaufmannshaus wurde entkernt, seine Fenster erhielten wieder ihre ursprüngliche Größe. Das Haus bekam ein Speiserestaurant und für Versammlungen einen kleinen Saal.

An der Ecke Hessenwall/Peterstraße schloss sich ein geräumiger Neubau an, mit großem Saal für aufwendigere Veranstaltungen. Am 18. August 1981 wurde der Vorgängerbau an der Oelstraße abgerissen – zum Bedauern vieler Kempener. Aber seine Josefs-Statue wanderte an das neue Haus. Das wurde zum 125-jährigen Bestehen des Kempener Gesellenvereins am 26. September 1981 eingeweiht.

Weil der finanzielle Aufwand durch unvorhergesehene Umstände größer geworden war als geplant, sprang die Stadt ein. Sie übernahm per Ratsbeschluss vom 13. Juli 1982 das neue, ansehnliche Gebäude als Bürgerhaus mit Speiserestaurant und Hotel und verpachtete es an einen Gastronomen. Der Kolpingfamilie wurden verschiedene Räume bis zu zehn Tage im Jahr für eigene Veranstaltungen zur Verfügung gestellt.

Indes: Auch das dritte Kolpinghaus, seit 1983 in städtischem Besitz, ist mittlerweile renovierungsbedürftig. Sein Pächter Sedin Muratovic hat den Vertrag mit der Stadt gekündigt. Heißt: Kempens größter Saal würde vorerst nicht mehr zur Verfügung stehen. Die Politik steht vor einer Entscheidung: Soll das Haus komplett saniert werden? Sind sein Verkauf und ein Neubau an anderer Stelle ratsam? Auf die weitere Entwicklung kann man gespannt sein. „Wir sind in Gesprächen“, teilte Bürgermeister Christoph Dellmans (parteilos) auf Anfrage mit: „Zum Sachstand ist noch nichts Neues zu sagen.“