Ehrenbürger Adolf Hitler

Am 20. April 1933 stellte der Kempener Stadtrat den neuen Reichskanzler auf ein Podest. Zentrums-Sprecher Peter Kother bot den Nationalsozialisten symbolisch die Hand.

Kempen. Bei den Kommunalwahlen am 12. März 1933 haben die Nationalsozialisten ihren Stimmenanteil mehr als verdoppelt - auf 34,5 Prozent. Trotzdem bleibt das katholische Zentrum stärkste Partei - nach Kempener Maßstäben wären die Hitler-Anhänger nicht legal an die Macht gekommen. Sie schaffen es scheinlegal - mit ihrer bewährten Mischung aus Zuckerbrot und Peitsche.

Die erste Sitzung des neu gewählten Stadtrats findet am 20. April 1933 statt - mit Bedacht hat man diesen Termin auf Hitlers Geburtstag gelegt. Der Saal des Hotels Even - des späteren Kempener Hofs, Kuhstraße15 - ist mit Hakenkreuzbannern und schwarz-weiß-roten Fahnen geschmückt und bis auf den letzten Platz gefüllt - großenteils NSDAP-Mitglieder.

Deren Aufgabe ist es, mit Beifallsstürmen für die Nationalsozialisten, Zwischenrufen und Hohngelächter für SPD- und Zentrumsabgeordnete Einfluss zu nehmen. Um die Machtverhältnisse klar zu machen, rahmen - als Drohkulisse - Kempener SA-Männer die Bühne ein. Auf ihr steht der lange Tisch, an dem die Stadtverordneten ihre Beschlüsse fassen werden. Er ist mit den Kempener Stadtfarben Blau-Rot dekoriert.

Die Taktik: Die erste gemeinsame Sitzung soll die Bürger mit einer nationalen Kundgebung ködern. Die Zentrums-Fraktion, die immer noch die Mehrheit hat, soll mit einer Mischung aus Einschüchterung und Begeisterung vor den Nazi-Karren gespannt werden. Ist das gelungen, kann man auch der Mehrheit der Bevölkerung sicher sein.

Zur Einstimmung hält der amtierende Bürgermeister, der Nationalsozialist Dr.Wolff, eine Lobeshymne auf die Männer, die sich am 21. März zum Auftakt der Erneuerung Deutschlands in Potsdam die Hand geschüttelt haben: Auf Reichspräsident Paul von Hindenburg und Reichskanzler Adolf Hitler: "Ihm haben wir es zu verdanken, dass das deutsche Volk nicht untergegangen ist."

Die Taktik funktioniert, die Botschaft kommt an. Von Aufbruchsstimmung ergriffen, geben nun die Sprecher der Fraktionen programmatische Erklärungen ab. NSDAP-Fraktionsvorsitzender Georg Sauer beantragt, Hindenburg und Hitler zu Kempener Ehrenbürgern zu ernennen: Der Antrag wird mit überwältigender Mehrheit angenommen.

Das katholische Zentrum, das mit zehn Stadtverordneten zwei Stimmen mehr als die Fraktion der Braunhemden hat, stimmt vorbehaltlos zu. Schließlich: Es geht um das Vaterland, und da müssen die alten politischen Vorbehalte schweigen.

Die SPD-Vertreter Friedrich Prang und Jakob Schächterle sind mutig und enthalten sich. Die Quittung erhalten sie aus der Zuschauerschaft mit Buh- und Raus-Rufen, worauf SA-Leute die beiden vor die Tür setzen.

Zentrumsmitglied Peter Kother versichert nun, dass seine Partei sich "im neuen Deutschland zum Wohle der Vaterstadt gerne und freudig zur Verfügung stelle". Er bietet also Reichskanzler Hitler im Namen seiner Fraktion symbolisch die Hand.

Distanzierung Nach dem Krieg hat Kempen lange gebraucht, um eine Distanzierung von der Wahl Adolf Hitlers zum Ehrenbürger zu vollziehen.

Rücknahme Klaus Hülshoff, Stadtdirektor von 1960 bis 1990, vertrat den Standpunkt, dass Hitlers Ehrenbürgerschaft mit seinem Tode erloschen sei. Erst 1987 sprach man auf Betreiben der SPD eine Rücknahme aus.

Kooperation Zentrums-Politiker Peter Kother kooperierte mit den neuen Machthabern, auch nach der erzwungenen Auflösung der Zentrums-Ortsgruppe am 11.Juli 1933. Die Nazis missbrauchten das Ansehen, das der Kommunalpolitker genoss, und stellten ihn erst kalt, als die Gleichschaltung vollzogen war.

Nach dem Krieg Kother wurde erster Nachkriegs-Bürgermeister und erhielt am 15.11. 1948 den Ehrenbürgerbrief.