Alte Fabrik in Nettetal-Kaldenkirchen Kunst ist Nicole Terstappens Leben
<irwordspace style="word-spacing -0075em;"><irglyphscale style="font-stretch 97%;">Nettetal </irglyphscale></irwordspace> · Mit vielen Ideen und Fleiß hat Nicole Terstappen die Alte Fabrik in Kaldenkirchen zu einem Leuchtturm in der Kulturszene der Stadt gemacht. Seit drei Jahren gibt es ein spannendes Programm aus Kunst, Literatur, Kino und Musik. Ein Besuch vor Ort.
Am Sonntag feierte sie mal selbst in der Alten Fabrik in Kaldenkirchen. Nicole Terstappen wurde 60 – und rund 200 Gäste folgten ihrer Einladung und feierten „den Frieden, das Leben und die Demokratie“. Mit Kunst und Kitsch dekoriert, ist die Alte Fabrik weit über Nettetal bekannt, als Ort für Kultur, für Geselligkeit und Unterhaltung. Die Alte Fabrik ist Eventlocation, Bar, Zeichenschule, Galerie, Yogazentrum, Treffpunkt, Kino und Kursraum. Bespielt werden 1500 Quadratmeter voller Möglichkeiten.
Nicole Terstappen nennt es einen Sehnsuchtsort, „geeignet für Überraschungen, gute Laune, Gespräche, gepflegte Getränke, Glück“. Die Alte Fabrik ist auch ihre eigene Familiengeschichte. Sie stammt aus einer Fabrikantenfamilie. Das Gebäude stammt aus dem Jahr 1880 und war anfangs eine Tabakfabrik. In den 1920er-Jahren kaufte ihr Großvater Hans Terstappen das Gebäude an der Venloer Straße 38 in Kaldenkirchen, um dort Matratzen herzustellen. Im Weltkrieg wurden dort Lazarettbetten produziert. Vater Elmar hat den Betrieb dann in den 70er-Jahren übernommen und dort Polstermöbel hergestellt. Das Unternehmen wuchs rasch, bis der Platz nicht mehr reichte. Die Produktion zog nach Bracht um. Seit 1995 steht der alte Betrieb in Kaldenkirchen weitgehend leer.
Den Betrieb zu übernehmen, war nie eine Option, wie Nicole Terstappen sagt: „Seit ich 13 bin, wusste ich, dass ich Künstlerin werden wollte.“ Das ist sie auch geworden, wenn auch mit vielen Umwegen. In Kaldenkirchen aufgewachsen, besuchte sie die Liebfrauenschule in Grefrath-Mühlhausen. Nach der zehnten Klasse wechselte sie auf das Werner-Jaeger-Gymnasium in Nettetal, wo sie das Abitur machte. Natürlich sollte sie „etwas Ordentliches“ werden. So lernte sie zuerst Fremdsprachen und begann eine Lehre als Industriekauffrau bei Niedieck in Lobberich und den Girmes-Werken in Oedt.
Eigentlich aber wollte sie die Düsseldorfer Kunstakademie besuchen. Bei ihrer Bewerbungsmappe ließ sie sich von Jörg Immendorff beraten. Letztendlich wurde sie nicht angenommen, die Auswahlkommission hatte ihre Mappe aber nicht mal angesehen. Mit dem Anfangsbuchstaben T im Familiennamen war sie nicht zum Zuge gekommen. Trotzdem war Aufgeben nicht ihre Sache. Unentwegt hat Nicole Terstappen in Vieles hineingeschnuppert. Für Innenarchitektur begann sie eine Schreiner-Lehre, sie schrieb sich an der Düsseldorfer Heinrich-Heine-Universität für Kunstgeschichte und Literatur als Lehramt ein, doch Lehrerin war nichts für sie.
Gemalt, ausgestellt und sogar verkauft hat sie trotzdem die ganze Zeit über. Als eine Berliner Agentur 1997 einen Auftrag für ein 400 Quadratmeter großes Gemälde ausschrieb, holte sie diesen Riesenauftrag nach Nettetal. Zusammen mit Studenten malte sie das Bild 20 mal 20 Meter in zwei Teile geteilt in der leeren Fabrikhalle – in nur vier Wochen. Das fertige Bild von der Oper in Manaus im brasilianischen Amazonas-Gebiet wurde an Baukränen am Potsdamer Platz aufgehängt und dann in kleine Teile zerschnitten. Mit dem Verkaufserlös sollte armen Menschen der Besuch der Oper ermöglicht werden.
Über 20 Jahre war die Terstappen-Fabrik zweimal im Jahr Ausstellungsort der Expo. Mit Erlaubnis ihres Vaters veranstaltete Nicole Terstappen von 1995 an Ausstellungen für 20 bis 30 Künstler. Zu den Vernissagen kamen Hunderte Besucher, oft von weit her. Auch Nicole Terstappen hatte eine weite Anreise. Denn sie lebte inzwischen auf Kreta, insgesamt 19 Jahre lang. Dort hatte sie ihren Mann kennengelernt, dort bekam sie einen Sohn und eine Tochter. Auf Kreta vermietete sie Zimmer an Touristen und führte einen Minimarkt. Dort verkaufte sie auch Souvenirs und rund 7000 selbst bemalte Kacheln.
Für die Expo in Kaldenkirchen kam 2015, nach einer Eröffnung mit 800 Gästen, das Aus. Die Bauaufsicht der Stadt bemängelte fehlenden Brandschutz. Mit ihren Kindern kam Terstappen 2016 zurück nach Deutschland. Als ihr Vater im Oktober 2018 starb, war sie sich mit ihren drei Schwestern einig, den alten Betrieb zu erhalten. So wurde aus dem alten Betrieb die „Alte Fabrik“. Terstappen begann dort mit einer Zeichenschule für Kinder, Jugendliche und Erwachsene – unter erschwerten Bedingungen. Denn 2022 veränderte die Corona-Pandemie das öffentliche Leben.
Nach einer langen Umbauphase begann mit der Ausstellung des Grazer Künstlers Herbert Soltys im November 2022 die „Alte Fabrik“ neu zu strahlen. Nicole Terstappens Traum war in Erfüllung gegangen. Sie hatte ihre Versammlungs- und Kulturstätte, Zeichen- und Malschule, Kleinkunst- und Filmbühne, Kunst- und Kitschgalerie, Seminar- und Eventlocation wahr werden lassen. Kaum zu glauben, wie sie das mit einem nur kleinen Helferteam gestemmt hat. Seit November steht ihr 24-jähriger Sohn Jannis an ihrer Seite.
Beide freuen sich, dass die Alte Fabrik mit Fördermitteln des Leila-Büros eine neue Leinwand und Fensterverdunklung für die Kinoreihe erhalten hat. Auf der Bühne sind im Januar noch zwei besondere Konzerte zu erleben. Es geht also immer weiter in Nicole Terstappens Lebenstraum.