Lank: Dieter Nuhr - Die Wahrheit zwischen Wissenschaft und Wahnsinn
"Nuhr die Wahrheit“ will der Kabarettist in seinem aktuellen Programm verkünden. Auch wenn die ganz profan ist.
Lank. Dieter Nuhr ist krank. Er hat eine Blasenentzündung und muss sitzen. Ein Auftritt im Strandbad von Xanten hat ihn ziemlich mitgenommen. Doch der Kabarettist weiß, was er seinem Publikum schuldig ist. Auch ein Engagement in Lank ist dem 46-Jährigen wichtig. Und das kann man längst nicht von all seinen, zumeist weit weniger prominenten Kollegen behaupten. Nuhr aber ist da - trotz seines Leidens.
In seinem aktuellen Programm geht es um die Wahrheit und nichts als die Wahrheit. Die lässt sich in vielem aufspüren: Wunder, Wissenschaft, Wahnsinn, einem höheren Wesen oder einer neuen Weltordnung. Das Problem: Er kommt nicht zum Punkt, nicht einmal zum Anfang: "Wo war ich gleich?"
Nuhr perfektioniert die Kunst des Abschweifens - oder sollte man sagen des Auslassens? Denn bei genauerem Hinsehen will er eigentlich so gar nichts von dem, was er auf seinem Manuskript niedergeschrieben hat, vortragen. "Vier Seiten über den Tod. Das will doch keiner hören."
"So, jetzt fang’ ich aber an", nimmt sich der Düsseldorfer, der in Wesel geboren wurde und in Ratingen lebt, nach einer halben Stunde fest vor - und schafft es doch nicht. Zu viele Nebenschauplätze drängen sich bei der Suche nach der Wahrheit auf, die Nuhr mit gewohnt scharfer Zunge beackert ohne platt oder gar persönlich diffamierend zu werden. "Wie bin ich jetzt drauf gekommen?"
Noch vor der Pause ist Nuhr dann eigentlich fertig. Mit der Hilfe von Statistiken, Experimenten und Feldversuchen hat der reich dekorierte Kleinkünstler auf ganz irdische Weise die absolute Wahrheit als profane Belanglosigkeit enttarnt, die zu wissen sich nur bedingt lohnt. "So, jetzt hab’ ich aber wirklich nix mehr."
Doch es gibt auch Wahrheiten, die sind trotzdem von hohem Allgemeininteresse. Die Diskrepanz im alltäglichen Verhalten von Mann auf der einen und Frau auf der anderen Seite ist so ein Dauerbrenner im Repertoire des studierten Kunstpädagogen und Historikers, der nicht fehlen darf.
Das Publikum im selbstverständlich restlos ausverkauften Wasserturm jauchzt vor Vergnügen, als Nuhr gegen Ende des Abends alles Kopflastige ablegt, fast ein wenig albern wird und sich selbst Platz für Spontaneität einräumt. "Haben Sie noch Fragen?" Nein!