Osterath: Würdigung - Ein Prophet der Moderne
Alfred Döblin ist vor 50 Jahren gestorben. Der Schriftsteller ist ein Klassiker der Moderne, wie Gottfried Benn einer der großen Schriftstellerärzte der Literatur.
Osterath. Sprachgenie, Menschenfreund, Visionär - so wird Alfred Döblins Arbeit gewürdigt. Der Schriftsteller ist ein Klassiker der Moderne, wie Gottfried Benn einer der großen Schriftstellerärzte der Literatur. Anlässlich seines 50. Todestages wird die Literaturwissenschaftlerin Gabriele Sander, Präsidentin der internationalen Döblin-Gesellschaft, den Literaten Freitag im Buch- und Kunstkabinett Mönter am Kirchplatz würdigen.
Sein Roman "Berlin Alexanderplatz" gehöre zu den bedeutendsten, die je in deutscher Sprache geschrieben wurden, urteilt der Kritiker Marcel Reich-Ranicki. Allgemeines Kulturgut wurde die tragische Geschichte des Franz Biberkopf in ruhelosen Zeiten der Weimarer Republik spätestens durch die düster gehaltene, kongeniale Adaption des Stoffes durch den Regisseur Rainer Werner Fassbinder.
Aber wer weiß heute noch, dass Döblin vor seinem Welterfolg im Jahr 1929 bereits zwanzig Bücher veröffentlicht hatte? Es waren Meisterwerke der Avantgarde, existenziellen Grundfragen auf der Spur: auf Flügeln der Phantasie in China, Indien, im Dreißigjährigen Krieg, prophetisch wie George Orwell in die Menschheits-Zukunft weisend.
In Döblins 1924 erschienenem "Berge Meere und Giganten" ist von globalen Migrationsströmen und mit synthetischer Nahrung gemästeten Massen die Rede, die von skrupellosen Technokraten beherrscht werden. Höhepunkt der phantastischen wie allegorischen Handlung ist eine Grönland-Expedition, die durch die Enteisung neuen Lebensraum schaffen soll.
Döblins Roman nehme Klimawandel, Globalisierung und Entmenschlichung moderner Lebenswelt vorweg, urteilt Günter Grass. In "Berge Meere und Giganten" habe Döblin all das an Terrorismus mit Selbstmordanschlägen vorhergesagt, was wir derzeit erlebten.
Alfred Döblin kommt am 10. August 1878 in Stettin an der Oder zur Welt, damals die Hauptstadt in Preußens Provinz Pommern. Er ist das vierte von fünf Kindern von Max und Sophie Döblin, die aus der Gegend von Posen stammen und jüdisch sind. Die Mutter regiert die Familie; der Vater betreibt mit wenig finanziellem Erfolg eine Zuschneiderei und frönt ansonsten musischen Neigungen. Döblins glückliche Kindheit endet, als der Vater mit seiner Gehilfin 1888 nach Amerika durchbrennt.
Als Zehnjähriger kommt Döblin nach Berlin. Dort studiert er Medizin, dort lernt er seine Frau Erna Reiss kennen, dort kommen seine vier Söhne zur Welt. Und dort beginnt sein literarisches Wirken, das seismografisch feinste Strömungen erfasst. Döblin weiß sie zu einem hellsichtigen Netz zu weben - er ist schließlich Nervenarzt. Die Nazis nennen ihn "Asphaltliteraten" und verbrennen seine Bücher. Nach dem Kriegsende aus französischem Exil zurück gekommen, wird er nicht mehr heimisch. Im Landeskrankenhaus Emmendingen stirbt er im Juni 1957. Kunstkabinett Mönter, Osterath, Kirchplatz 1-5; Beginn: morgen, 19 Uhr, Eintritt: fünf Euro.