Neuss: Aberwitzige Liebeserklärung
Im Rheinischen Landestheater feierte Thomas Bernhards Theatermacher Premiere.
Neuss. "Ich wollte eine Komödie schreiben, in der alle Komödien vereint sind, die je geschrieben wurden. Vielleicht ein absurder Gedanke, aber für Bruscon möglich", sagte einst Thomas Bernhard. Insofern scheint für den Staatsschauspieler Bruscon auch nichts unmöglich, so überzeugt ist er von sich selbst.
Doch sein großes Theaterstück "Das Rad der Geschichte" muss er in der Zwerggemeinde Utzbach auf einer vermoderten und verfaulten Bühne des Lokals Schwarzer Hirsch präsentieren. Erschwerend kommt hinzu, dass seine Familienmitglieder, die ebenfalls alle auf der Bühne stehen, absolut "talentfrei und dilettantisch" sind.
Der Inhalt der Tragikomödie "Der Theatermacher" von Thomas Bernhard hat auch 23 Jahre nach der Uraufführung seinen Reiz nicht verloren.
Unversehens wird die Geschichte des Schauspielers, der seine Familie im Namen der Kunst gnadenlos unterdrückt, zu einer aberwitzigen Liebeserklärung an das Theater. In der Neuinszenierung durch Corinna Bethge am Landestheater dürfen sich die Zuschauer über eine lebendige und authentische Aufführung freuen. Das liegt nicht zuletzt an einem überragenden Wolfgang Häntsch, der in der Titelrolle Bruscon voll aufgeht.
Das Publikum lernt Bruscon als einen exzentrischen, stimmgewaltigen Choleriker kennen, der seine Familie malträtiert. Seinen Sohn Ferrucio (gespielt von Felix Lampert) denunziert der Familienpatriarch als "Nichtsnutz und Taugenichts", seine Frau (Tini Prüfert) sei eine unter Hypochondrie leidende Proletariern und Tochter Sarah (Birte Rüster) bezichtigt er als unverschämt und hinterlistig.
Dieses jähzornige Verhalten hat Spuren bei allen Familienmitgliedern hinterlassen. So ist Bruscons Frau völlig verstört, rennt mit Hirschmasken singend über die Bühne, Tochter Sarah ist verschüchtert, leidet unter gelegentlichen Schreikrämpfen und der dem Vater gehorsame Sohn Ferrucio hat einen gebrochenen Arm.
Die Bühne des Schwarzen Hirschen ist bereits halb zerfallen, Rohre sind defekt und Kabel hängen von der Decke. So projiziert Bruscon seine ganze Wut auf den Wirt des Lokals (Hermann Große-Berg), der die Gäste mit Blut verschmierter Schürze begrüßt: "Mein ganzes Stück geht in diesem scheußlichen Ort vor die Säue." Doch sämtliche Beleidigungen scheinen am Wirt mit der schlechten Auffassungsgabe abzuprallen.
Die von Bühnenbildnerin Rahel Seitz kreierte Kulisse wird im Laufe des Abends fast völlig zerlegt, Wassergläser werden zerworfen und die Schauspieler zeigen ein hohes Maß an Akrobatik.
Auch wenn die Aufführung des "Rads der Geschichte" im Schwarzen Hirsch letztlich schief geht, im Rheinischen Landestheater werden Wolfgang Häntsch und seine Schauspielkollegen mit Ovationen gefeiert.
“ Weitere Aufführungen im Rheinischen Landestheater: 22.September, 20 Uhr; 14.Oktober, 20Uhr; 16. Oktober, um 20Uhr; 19.Oktober, 18 Uhr.