Neuss: Medizin - Gerät gegen Herztod wenig verbreitet

Bisher stellt die Stadt nur einen externen Defibrillator zur Verfügung, er hängt im Bürgeramt.

Neuss. 100000 Menschen sterben in Deutschland jedes Jahr am plötzlichen Herztod. 70 Prozent von ihnen könnten gerettet werden - wenn ein AED, ein automatisierter externer Defibrillator, in der Nähe bereitstünde und unmittelbar nach dem Herzstillstand genutzt würde.

Setzt bei einem Betroffenen ein Kammerflimmern ein und kündigt sich damit unter Umständen ein Herzstillstand an, geht es um Schnelligkeit. Jede Minute Wartezeit auf den Notarzt senkt die Überlebenschance um etwa 10 Prozent. "Defis" im öffentlichen Raum - das ist Forderung zahlreicher Ärzte, Rettungskräfte und Angehöriger.

In vielen Städten wie etwa in Düsseldorf, Krefeld oder Wuppertal haben sich Initiativen gebildet, die informieren und auf die Anschaffung der Geräte überall dort drängen, wo sich viele Menschen aufhalten. Mit Erfolg: Zunehmend reagieren Städte, die Bahn, große Einkaufszentren, Parkhausbetreiber oder Unternehmen mit vielen Mitarbeitern. Neuss aber hat da eindeutig Nachholbedarf.

Die Defibrillatoren bringen das Herz durch Stromstöße wieder zum Schlagen. Auch für den Laien sind sie zu bedienen. Eine Schulung ist hilfreich, im Notfall aber kann - und sollte - jeder sofort eingreifen und das Gerät mit dem weißen Herzsymbol auf grünem Grund nutzen. "Da geht es um drei Handgriffe, das ist wirklich ganz einfach", sagt Professor Michael Haude, Chefarzt der Kardiologie am Lukaskrankenhaus.

Doch Neuss ist bei diesem Thema Entwicklungsland. Die Stadtverwaltung selbst stellt genau einen externen Defibrillator zur Verfügung. Der hängt im Bürgeramt. Kein Lebensretter an öffentlichen Plätzen, keiner in der Stadthalle, keiner an Sportplätzen oder Hallen - es sei denn, die Vereine kümmern sich darum. Vorbildlich der SC Rosellen: Zwei Geräte hängen in der Theodor-Klein-Sportanlage, ein Defibrillator ist öffentlich zugänglich in der Sporthalle Allerheiligen angebracht.

Immerhin: Auch für Schwimmer ist für den Fall der Fälle vorgesorgt. Die Stadtwerke haben alle Bäder mit Defibrillatoren ausgestattet, außerdem die Eishalle und die Sauna-Anlage Wellneuss. Auch einige große Firmen wie 3 M haben den großen Wert des kleinen Gerätes erkannt, dessen Preis von unter 1500 Euro auch keine unüberwindliche Hürde darstellt.

Insgesamt aber ist die Stadt äußerst schwach versorgt. "Ich hätte gern mehr davon", sagt Frau Sprenger, bei der Stadt verantwortlich für den Arbeitsschutz: "Aber der Defibrillator im Bürgerbüro ist wenigstens ein Anfang." Deutlicher wird der Herzspezialist. "Die Bedeutung der öffentlich zugänglichen Defibrillatoren ist hier überhaupt noch nicht erkannt", sagt Professor Michael Haude. Fatal: Denn vom plötzlichen Herztod sind nicht weniger, sondern immer mehr Menschen bedroht.