Sozialdezernenten wollen abwarten Viele Unklarheiten bei der „Social-Card“

Rhein-Kreis/Neuss · Die derzeit 829 Menschen in der Zentralen Unterbringungseinrichtung in Neuss werden die ersten Geflüchteten im Rhein-Kreis sein, die mit einer Bezahlkarte ausgestattet werden. Die Kommunen müssten nachlegen, wollen aber die Pilotphase abwarten.

Das Land hat mit der Einführung der Bezahlkarte für Geflüchtete begonnen.

Foto: dpa/Philipp von Ditfurth

Die Kommunen im Rhein-Kreis begegnen der vom Land begonnenen Ausgabe der Bezahlkarte an Geflüchtete, die sogenannte „Social-Card“, mit Skepsis. Noch seien zu viele Fragen offen und Rahmenbedingungen unklar, um die Bezahlkarte als zwischen Bund und Ländern verabredetes Instrument einführen zu können, befanden die Sozialdezernenten aller Kommen im Rhein-Kreis, die sich kurz vor dem Wochenende trafen und auf eine gemeinsame Position verständigt haben. Sie wollen einheitlich vorgehen, sehen aber das Land in der Pflicht, für mehr Klarheit zu sorgen. Und sie wollen abwarten, wie die in den Landesunterkünften gestartete Testphase abläuft. Das sei „unbedingt abzuwarten“, betont der Neusser Sozialdezernent Holger Lachmann.

Ab März sollen die Karten
in Neuss ausgegeben werden

Am 7. Januar hatte das Land die Bezahlkarte im Rahmen einer zweistufigen Pilotphase in zunächst fünf Landeseinrichtungen eingeführt. Im Regierungsbezirk gehören dazu die Flüchtlingsunterkünfte an den Standorten Remscheid und Rees. Die Zentrale Unterbringungseinrichtung (ZUE) an der Stresemannallee in Neuss, die bis zu 1000 Menschen Platz bietet, war nicht betroffen. Deren Bewohnerschaft wird mit der „Social-Card“ nach Angaben der Bezirksregierung voraussichtlich ab März ausgestattet.

Aktuell leben in der ZUE 829 Menschen, die erst zum Jahresanfang in die Einrichtung zurückkehren konnten. Sie waren Ende November wegen einer möglichen Belastung des Trinkwassers ausquartiert und vorübergehend in einer Landeseinrichtung in Mönchengladbach versorgt worden. Diese Verunreinigung war offensichtlich rein lokal, betraf nach Angaben der Stadtwerke jedenfalls nicht deren Versorgungsnetz. Nach intensiven Spülmaßnamen, so die Bezirksregierung, dem Austausch von Schläuchen sowie einer weiteren Beprobung des Trinkwassers habe die Einrichtung schließlich wieder für die Belegung freigegeben werden können.

Die Menschen in der ZUE machen nicht einmal ein Fünftel aller Geflüchteten in Neuss aus. Deren Zahl gab die Verwaltung vor gut einem halben Jahr in einer Mitteilung an die Politik mit mehr als 5000 an. Darunter waren 1700 Ukrainer.

Gegenstand der Mitteilung seinerzeit war auch die Bezahlkarte, auf deren Einführung sich Bund und Länder bereits im November 2023 geeinigt hatten. Schon damals, im Juni vorigen Jahres, hatten die Kommunalen Spitzenverbände darauf hingewiesen, dass das Land offene Fragen – etwa zum Zeitpunkt der Einführung im Asylverfahren – regeln müsse. Und die Vertreter der Städte und Gemeinden betonten, die Bezahlkarte müsse einfach handhabbar und der Verwaltungsaufwand für sie vertretbar sein.

Sinnvoll wäre zudem, die Einführung der Karte für alle Kommunen im Land verpflichtend zu machen, um einen Flickenteppich zu vermeiden. Vor diesem Hintergrund hatten sich die Kommunen im Rhein-Kreis schon damals für eine zumindest kreiseinheitliche Regelung ausgesprochen, erinnert Kreissprecher Benjamin Josephs. Mit der jetzt angeschobenen landesweiten Regelung sei der Kreis außen vor, fügt er hinzu, weil die Ausgabe alleine Sache der Kommunen ist.

Auch das hätten sich die Kommunen anders gewünscht, die nun, so der Zeitplan des Landes, im Laufe des Jahres alle Menschen in ihrem Einflussbereich, die Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz beziehen, mit der Karte zum bargeldlosen Bezahlen ausstatten sollen. Die Stimmung bei der Sozialdezernententagung war entsprechend schlecht. Deren Teilnehmer bedauern ausdrücklich, dass Nordrhein-Westfalen nicht den Empfehlungen von Städtetag und Städte- und Gemeindebund folgt und eine landeseinheitliche Einführung vornimmt beziehungsweise die Karten zur Pflichtsache macht.

Klarheit sollen vom Land angekündigte Handreichungen sowie erste Informationsveranstaltungen für die Kommunen bringen, die noch im Januar stattfinden sollen. Derzeit, schließt Lachmann, lägen keine ausreichenden Informationen vor, „die eine Aussage zu der Umsetzbarkeit in kommunaler Verantwortung ermöglichen“.