Freies Netzwerk Kultur Wuppertaler Kulturkolumne: Die Kunst als schöner Beruf braucht mehr Anerkennung
Wuppertal · Es stehen keine einfachen Zeiten im Kulturbetrieb bevor.
Es ist jetzt wichtig, auf allen politischen Ebenen angemessen für soziale und wirtschaftliche Absicherung von Künstlerinnen und Künstlern zu sorgen, gemeinsam mit allen Akteurinnen und Akteuren in Kunst- und Kulturberufen. Gemeinsam mit Kulturpolitikerinnen und Kulturpolitikern, vor allem in Absprache mit soloselbstständigen Künstlerinnen und Künstlern, natürlich auch zusammen mit fest angestellten Kulturschaffenden. Der Beruf des Künstlers und der Künstlerin braucht auch in Zukunft gesellschaftliche Anerkennung und Schutz. Hybride Beschäftigungsverhältnisse in dieser Branche sollten die Ausnahme und nicht die Regel sein.
Diese Forderungen höre ich leider weniger von Zukunftsforscherinnen und -forschern und nur sehr selten von Gewerkschaften oder Interessenverbänden. Ich finde den politischen Willen, die Kunst-, Kultur- und Kreativwirtschaft strukturell zu stärken, kaum in Parteiprogrammen. Ich finde dazu auch keine entsprechende Frage im Wahl-O-Mat. Schön ist das nicht. Und paradox noch dazu, denn die Schönheit als Idee verkörpert sich zuallererst als Erfahrung von Künstlerinnen und Künstlern. Als deren Erfahrungen, die spielerisch oder stellvertretend Form, Haltung und Gestalt annehmen. Als Ausdruck des schönen, des zwischenmenschlichen Wesens. Als Gegenspieleridee, als Kitt, als Brücke, um die Idee der Schönen Künste – um sich selbst und den Sinn darin zu erhalten. Ich wirke hier jetzt vielleicht wieder einmal zu naiv, vielleicht auch ein bisschen zu spießig, aber ich glaube nicht, dass ich ein Kunsterlebnis, das ich schön nenne, damit (nach Gertrude Stein) für tot erkläre. Ich finde, wir brauchen alle weltweit wieder mehr Sinn fürs Schöne, um den Wandel zu schaffen. Ob wir unsere Sinne für das Schöne mithilfe der Kunst wieder geschärft bekommen, hängt meiner Meinung nach auch davon ab, ob wir die Exzellenz unserer Künstlerinnen und Künstler überhaupt noch wollen. Gemeinschaften, die das Tröstliche in der Kunst auf einem zugegebenermaßen schweren Weg aus den komplexen Krisen sehen, gibt es. Auch wenn sie sich im Moment, durch schwererträgliche, tagtägliche Meldungen verschreckt oder durch polemische Polarisierungstendenzen entkräftet, zurückzuziehen scheinen.
Da eine viel zu große Anzahl von Menschen in Kulturberufen prekär lebt und geradewegs in die Altersarmut schliddert, ist diese Sensibilität durchaus nachvollziehbar und im Grunde ja die Folge von jahrzehntelanger verfehlter Kulturpolitik. Wer jetzt die Haushalte in der Kultur und auch bei den sozialen Trägern an die Realität anpasst, also kürzt, handelt, glaube ich, kurzsichtig mit langen Folgen. Wer jetzt das Schöne und den Zusammenhalt schwächt, lässt alle zusammen den Tribut zahlen. Und das ist, ich sage es noch einmal, einfach nicht schön.
Die glaubwürdige Beziehung zur Wahrheit ist Voraussetzung
Das ist keine Geschmacksache, denn darüber lässt sich natürlich streiten. Genau dafür sollten die gesellschaftlichen Diskursräume offengehalten werden. Denn auch in der freien Rede- und Meinungsäußerung gilt: Schön ist das miteinander Reden nur, wenn bei den Gesprächspartnern eine glaubwürdige Beziehung zur Wahrheit vorausgesetzt werden kann. Denn nicht schön ist, wenn in Debatten gesagt wird, was nicht mehr stimmen möchte, was ungeprüft geglaubt und dann auch noch unter dem Begriff der Freiheit der Kunst verkauft und weitergegeben wird. Dies schädigt die Kunst und nutzt sie aus. Und das ist nicht schön.