Eidgenossen stehen am Pranger
Ingo Faust kommentiert die Kritik der Europäischen Union an Schweizer Banken.
So schnell kann es gehen: Kaum legt die Finanzmarktkrise dank der staatlichen Billionenhilfen für die angeschlagenen Banken eine vorübergehende Pause ein, wird ein Nebenkriegsschauplatz eröffnet. Die EU-Finanzminister, die wegen der abkühlenden Weltkonjunktur um ein Teil ihrer Steuereinnahmen bangen, wollen sich das bald fehlende Geld woanders holen und Steueroasen trocken legen. Dabei stellt Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) besonders die Schweiz an den Pranger.
Das hat die Eidgenossen, die nach weit verbreiteter Meinung nur von Geld, Uhren, Käse sowie Tourismus leben und bei der Arbeit ständig Alphorn-Musik hören, natürlich aufgeschreckt. Die Schweizer Banken sind von der Finanzkrise ohnehin stark gebeutelt, jetzt mäkelt die Europäische Union noch an ihrem traditionellen System der Nummern-Konten herum. Als Steuerflucht-Land versteht sich die Schweiz nicht. Es geht dort nur etwas gemütlicher und anonymer zu. Im Zweifel aber wird dem deutschen Fiskus auf Anfrage Auskunft gegeben. Die Schweizer hetzen sich aber nicht, es dauert.
Direkt haben die rund 70 Steueroasen weltweit kaum etwas mit der Finanzkrise zu tun. Aber die Politiker, die in vielen Ländern inzwischen den Bankenapparat verstaatlicht oder halbverstaatlicht haben, wollen den größeren Zugriff auf die Geldhäuser und die Gunst der Stunde nutzen, diese Oasen abzuschaffen. Bereits bei dem für November bevorstehenden Weltwirtschaftsgipfel für eine neue Weltfinanzordnung soll das Thema auf den Tisch und geregelt werden. Andere Europäer wie Briten und Franzosen, die selbst solche Oasen unterhalten, werden aber mit den Deutschen kaum mitziehen.
Um eines klar zu stellen: Oasen für Steuerhinterzieher gehören geächtet, weil sie die braven Steuerzahler im jeweiligen Land benachteiligen. Steuerhinterziehung ist bei uns eine Straftat. Das muss spätestens mit dem Fall von Ex-Postchef Klaus Zumwinkel jedermann wieder klar geworden sein. Oasen auszutrocknen ist daher richtig. Es ist zugleich ein nahezu unmögliches Unterfangen. Wenn eine Oase schließt, wird irgendwo auf der Welt eine neue aufgemacht. Unabhängig davon ist es Unfug, das gesamte Bankensystem in der Schweiz zu ächten. Starke Sprüche sind noch keine Lösungen.