Meinung Thyssenkrupp droht die Zerschlagung – Schwarz-Gelb schaut zu

Meinung · Ein rechtlich unverbindliches Leitbild taugt nur dann etwas, wenn es von der Politik auch ernst genommen wird. Der Fall Thyssenkrupp lässt da erhebliche Zweifel aufkommen. Ein Kommentar.

Guido Kerkhoff ist nicht mehr Vorstandsvorsitzender von Thyssenkrupp.

Foto: dpa/Rolf Vennenbernd

Braucht Nordrhein-Westfalen ein industriepolitisches Leitbild? Ja, meint die schwarze-gelbe Landesregierung. Was eher überflüssig klingt, hat durchaus einen wichtigen Inhalt. Es geht darum, die Industrie nicht als Problem, sondern als Motor zur Lösung zu begreifen. Eine klima- und umweltfreundliche Wirtschaft braucht Innovationen und Investitionen. Solchen Appellen stimmt fast jeder zu. Wenn es dann konkret wird, wenn neue Chemieanlagen, Bahnstrecken oder Windräder geplant werden, ist der Widerstand groß. Dabei sind viele Arbeitsplätze, also die Basis unseres Wohlstands, ohne solche Projekte morgen schon nicht mehr da. Insofern ist es gut, dass Schwarz-Gelb Hand in Hand mit den Arbeitgebern und Gewerkschaften für die Industrie an Rhein, Ruhr und Wupper wirbt, um deren Akzeptanz zu erhöhen.

Ein rechtlich unverbindliches Leitbild taugt aber nur dann etwas, wenn es von der Politik auch ernst genommen wird. Der Fall Thyssenkrupp lässt da erhebliche Zweifel aufkommen. Während sich die Landesregierung für ihr Bekenntnis zur Industrie feiert, fürchten die rund 160.000 Beschäftigten des traditionsreichen Essener Konzerns die Zerschlagung ihres Unternehmens. Dass Schwarz-Gelb alle verfügbaren Mittel einsetzt, um den Niedergang des Unternehmens zu verhindern, ist nicht zu erkennen. Zwar sagt Ministerpräsident Armin Laschet (CDU), die Zerschlagung müsse verhindert werden, aber seinen durchaus vorhandenen Einfluss über die Krupp-Stiftung übt er nicht aus. Anders ist der Rauswurf von Thyssenkrupp-Chef Guido Kerkhoff jedenfalls nicht zu erklären.

Ein Kommentar von Rolf Eckers.

Foto: Sergej Lepke

Kerkhoff wollte den Konzern sanieren. Sein Plan war es, die Aufzugsparte nur teilweise zu verkaufen und mit diesen Einnahmen die übrigen Teile von Thyssenkrupp auf Vordermann zu bringen. Vor allem der Stahlbereich braucht viel Geld für Investitionen, um klimafreundlicher produzieren zu können. Jetzt ist Kerkhoff weg, weil die wichtigsten Anteilseigner – Krupp-Stiftung und der schwedische Finanzinvestor Cevian – das so wollten. Was droht, ist der Komplettverkauf der Aufzugsparte. Damit wäre das mit Abstand lukrativste Geschäftsfeld des Konzerns weg. Im schlimmsten Fall fließt der Verkaufserlös von 15 bis 20 Milliarden Euro an die Aktionäre ab und der Rest von Thyssenkrupp muss sehen, wo er bleibt. Ohne die Einnahmen aus dem Aufzuggeschäft haben die anderen Sparten keine Chance. Es fehlte auch das Geld, um die Pensionslasten zu bezahlen. Dafür müsste für viele Jahre der Steuerzahler einspringen. Noch lässt sich das verhindern. Noch gibt es Thyssenkrupp als Ganzes. Es würde bestens zum industriepolitischen Leitbild für NRW passen, wenn das so bliebe.