Zweierlei Maß beim Kampfeinsatz
Als der Chef der SPD-Bundestagsfraktion, Peter Struck, unlängst die Jagd der Marine auf Piraten am Horn von Afrika als "Kampfeinsatz" bezeichnete, blieb alles ruhig. Als Verteidigungsminister Franz Josef Jung zu Beginn seiner Amtszeit den Begriff "Kampfeinsatz" im Zusammenhang mit den Bundeswehrsoldaten in Afghanistan verwendete, wurde ihm aus dem Kanzleramt übermittelt, er möge jede Kriegsrhetorik unterlassen.
Der Unterschied zwischen Kampfeinsatz und Kampfeinsatz besteht offenbar darin, dass Piraten auf See als Feindbild klar zu isolieren sind. Zivile Opfer sind nicht zu befürchten. Die Soldaten der Mission "Atalanta" sollen sicherstellen, dass die humanitäre Hilfe für die notleidende Bevölkerung Somalias ankommt.
Gegen den Einsatz, dem im Übrigen auch wirtschaftliche Interessen der europäischen Handelsnationen zugrunde liegen, lassen sich im Grundsatz keine Argumente einwenden. Er ist notwendig, und es ist richtig, dass die EU Flagge zeigt. Allerdings würde man sich wünschen, dass über die Auslandseinsätze der Bundeswehr insgesamt so vergleichsweise ehrlich diskutiert würde, wie über die Piratenjagd.
Gerade die Piraterie am Golf von Aden, die in heutigen Zeiten seltsam archaisch anmutet, führt deutlich vor Augen, welche asymmetrischen Gefahren die Welt bedrohen. Somalia beherbergt ungezählte islamistische Terroristen - und mehr als eine Million Binnenflüchtlinge.
Unter den Piraten sind viele arme Teufel, die vielleicht nicht zu Verbrechern geworden wären, wenn die Lage in dem zusammengebrochenen Staat nicht so katastrophal wäre. Den Hungernden in Somalia zu helfen, entspricht deutschem Selbstverständnis. Mit militärischen Mitteln beim Aufbau eines Staates wie in Afghanistan zu helfen, strapaziert das Selbstverständnis vieler Deutscher in schwer erträglicher Weise.
Umso wichtiger ist es, dass die Bundesregierung eine offene Debatte über Afghanistan führt und den Bürgern besser erklärt, warum sie Soldaten in lebensgefährliche Einsätze entsendet. Die Zustimmung zu den Mandaten OEF und Isaf ist auch in den Koalitionsfraktionen zunehmend der Disziplin und weniger der Überzeugung geschuldet. Die Bedrohungen aber, das steht zu befürchten, werden auf absehbare Zeit nicht geringer werden.