Die eigenen vier Wände in der Nähe der Fabrik

Exkursion mit Marie-Luise Mettlach zu den Fabrikantenvillen und Arbeitersiedlungen.

Burscheid. Es war Burscheids "große Zeit": Seit Beginn des 19. Jahrhunderts blühte hier die Industrie und ließ schließlich 1856 das "Dorf" zur Stadt werden. Auf den Spuren dieser Blütezeit führte Marie-Luise Mettlach im Rahmen des Gemeinschaftsprojektes der Kulturregion Bergisches Land "Bergischgruen" unter dem Titel "Unternehmervillen - Unternehmerwillen" in einer Bus-Exkursion durch die Stadt.

Kein leichtes Unterfangen mit einem großen Bus, dessen Fahrer in den engen Kurven und aufgrund der zahlreichen Straßenarbeiten wahre Fahrkunststücke vollführen musste. Dennoch - die 25 Teilnehmer (davon auch welche aus Bergisch Gladbach, Leichlingen und Gummersbach) gewannen einen lebendigen Eindruck nicht nur von der Vergangenheit Burscheids, denn Marie-Luise Mettlach ließ auch eine Reihe aktueller Informationen mit einfließen.

Ziel der Exkursion war, aufzuzeigen, wie die Fabrikanten gewohnt haben und welche sozialen Leistungen sie, vor allem im Wohnungsbau, für ihre Mitarbeiter erbracht haben.

Mitten durch die Innenstadt ging es zunächst zum Raderhaus - bis heute von der Familie des Gründers der Raderfabrik bewohnt, der an einem neu angelegten Weg Werkswohnungen hatte erbauen lasen. Weder die Fabrik noch die Häuser stehen noch, und der Blick auf den "Raderweg" war im wahrsten Sinne nur ein "Augenblick", denn hineinfahren kann dort ein Bus nicht.

Besser ging es dann schon in der Füllsichel, wo die Firma Goetze in den 40er Jahren Häuser für ihre leitenden Angestellten erbauen ließ. Auf Umwegen dann und durch enge Kurven durch die Pastör-Löh-Straße zur Griesberger Straße und den anliegenden Straßen, wo die Firma Goetze Siedlungs- und Hochhäuser errichtete.

Der Firmengründer Friedrich Goetze selbst wohnte nach bescheidensten Anfängen in einer im Jahre 1900 an der heutigen Bürgermeister-Schmidt-Straße erbauten Villa, einer der wenigen echten Fabrikantenvillen Burscheids. Mit ihrer aus dem Straßenbild herausragenden Bauweise demonstrierte die Villa Selbstbewusstsein und Stolz des erfolgreichen Unternehmers.

Heute hat sich durch einen unmittelbar an die Villa anschließenden Bürotrakt der Firma Federal-Mogul das imposante Gesamtbild verändert, das Marie-Luise Mettlach durch eine zeitgenössische Postkarte demonstrierte.

Neben der Firma Goetze waren es vor allem die Firmen Pott & Hinrichs und Thiel, die sich durch Leistungen für ihre Mitarbeiter auszeichneten. Die Firma Pott & Hinrichs ließ in Bellinghausen alte Häuser für Werksangehörige, vor allem für Flüchtlinge, zu schmucken Fachwerkhäusern mit Treppenaufgängen im italienischen Stil umbauen. Auch in der Nähe des Fabrikgeländes an der heutigen B 51 entstanden Werkswohnungen.

Das Stammhaus der Familie Pott in Linde konnten die Teilnehmer der Exkursion nur durch einen Minutenaufenthalt erspähen, die von Gustav Walter Pott 1923 erbaute repräsentative Villa "Haus Bellinghausen" oberhalb Bellinghausen jedoch ebenso wenig anfahren wie das schmucke Örtchen Bellinghausen selbst. Fotos mussten den Lokalaugenschein ersetzen.

Heinz Thiel, der wie sein Vater Walter Thiel, der Firmengründer der Hilgener Polsterweberei, bescheiden auf dem Firmengelände wohnte, ließ erst später für seine Familien Villen in der Talstraße bauen - für den Bus waren wegen des Umbaus der B 51 weder die ehemalige Fabrik noch die Villen anfahrbar. Ansehen konnten die Teilnehmer allerdings das Hochhaus am Akazienweg, das Thiel für seine Mitarbeiter errichtet hatte.

Eine Besonderheit stellt die Löhsiedlung an der Altenberger Straße dar. Zehn Häuser wurden dort auf von Erich Richartz-Bertrams an arbeitslose Handwerker verschenkten Grundstücken in Nachbarschaftshilfe errichtet - kleine Häuser mit 50 Quadratmeter Grundfläche, obligater Kleintierhaltung und Gartengrundstücken. Auch hier war nur ein Blick von der Straße aus möglich.

Erich Richartz-Bertrams selbst wohnte im Haus Höhestraße3, einem repräsentativen Bau von 1899, durch einen Park verbunden mit dem Haus Montanusstraße 8, der so genannten Luchtenberg-Villa, 1896 erbaut von Heinrich Bertrams, dem Gründer der weltbekannten Ofenrohrkniefirma Bertrams. Dieses ist nun wirklich eine Fabrikantenvilla, wie man sie sich vorstellt.

Schluss der Exkursion war ein erneuter Blick auf die Goetze-Villa.