Wilhelm-Grobben-Straße in Kempen Entscheidung über Straßennamen vertagt
Von Andreas Reiners · Weil die FDP-Fraktion noch Beratungsbedarf hat, wurde das Thema Umbenennung der Wilhelm-Grobben-Straße in Kempen vom Kulturausschuss in den Hauptausschuss vertagt. Anwohner sind – wie schon 2019 – gegen eine Umbenennung ihrer Wohnstraße.
Neue wissenschaftliche Erkenntnisse zur Rolle von Wilhelm Grobben während der Nazi-Zeit in Kempen gibt es nicht. Gleichwohl spaltet der 1944 im Alter von 49 Jahren gestorbene damalige Lehrer und Mundartdichter auch 80 Jahre nach seinem Tod die Bürgerschaft in Kempen. Ein erneuter Vorstoß der Kempener Grünen, die seit 1964 nach Grobben benannte Wohnstraße in Kempen umzubenennen, mündete jetzt als förmlicher Antrag in eine Vorlage für die jüngste Sitzung des Kulturausschusses des Kempener Stadtrates. Eine Beratung fand indes in der Sitzung des Gremiums am Donnerstagabend nicht statt. Die FDP-Fraktion hatte zu Sitzungsbeginn die Vertagung des brisanten Tagesordnungspunktes beantragt.
Man habe noch nicht abschließend über den Antrag der Grünen und die Verwaltungsvorlage beraten können, erklärte FDP-Fraktionsvorsitzender Bernhard Lommetz. Mit Unterstützung der CDU-Fraktion kam der Vertagungsantrag durch. Nun soll in der Sitzung des Haupt- und Finanzausschusses am Dienstag, 18. Februar (ab 18 Uhr im Rathaus am Buttermarkt), und abschließend in der Ratssitzung am Dienstag, 25. Februar (ebenfalls ab 18 Uhr im Rathaus), öffentlich beraten und beschlossen werden.
Eine Diskussion mit einiger Vorgeschichte
Das Thema hatte bereits vor fünf Jahren die Gemüter erhitzt. Auch seinerzeit hatten die Grünen die Umbenennung der Wilhelm-Grobben-Straße beantragt. Damals diskutierte der für Straßenbenennungen zuständige Kulturausschuss das Thema und stimmte für die Umbenennung. Eine Mehrheit im Stadtrat entschied jedoch anders: Der Straßenname blieb, ein neues Zusatzschild erläutert seither Grobbens Rolle während der Nazi-Zeit.
Wilhelm Grobben war nicht nur ein harmloser Lehrer und Mundartdichter. Er war 1937/38 auch Ortsgruppenleiter der NSDAP und damit ein ranghoher Funktionsträger in der Zeit des Nationalsozialismus. Ins Rollen gebracht hatte das Thema ein Artikel des Kempener Historikers Hans Kaiser für die Rheinische Post, in dem er unter anderem die Person Grobbens beleuchtete. Grobben war nach Kaisers Recherchen ein glühender Nationalist und Verehrer von Adolf Hitler. Seine Liebe zur niederrheinischen Heimat brachte der Lehrer in zahlreichen Texten in Mundart zum Ausdruck.
Als Ortsgruppenführer der Partei trage er Mitverantwortung für die Gräueltaten der Nazis, argumentieren die Kempener Grünen auch jetzt wieder. Da reiche das 2019 vom Stadtrat beschlossene erläuternde Zusatzschild unter dem Straßennamen nicht, meinen die Grünen. Wie 2019 erhalten sie wieder Unterstützung von SPD und Freien Wählern sowie dem ÖDP-Vertreter Günter Solecki, der seinerzeit noch der Linkspartei angehörte.
Viele Anwohner sind weiterhin gegen eine Umbenennung ihrer Straße. Etliche waren am Donnerstagabend zur Sitzung des Kulturausschusses gekommen. Obwohl das Thema zu Beginn der Sitzung vertagt worden war, konnten sie sich in der Einwohnerfragestunde zu Wort melden. Eine Frage beschäftigt die Anwohner derzeit besonders: Warum wird die Straßenumbenennung nach nur fünf Jahren nun schon wieder zum politischen Thema? Rein rechtlich sei es durchaus zulässig, einen früher bereits gestellten Antrag noch einmal zu stellen, erläuterte der städtische Beigeordnete Jörg Geulmann. So vier bis fünf Jahre sollten allerdings dazwischen liegen. Diese Zeitspanne ist nun erfüllt. Was die von einer möglichen Umbenennung betroffenen Anwohner wie schon 2019 auch jetzt wieder bewegt, ist die Frage, wer für die Kosten der notwendigen Ummelde-Formalitäten aufkommt. Auch wenn die Stadtverwaltung da Entgegenkommen signalisiert, müssten die Betroffenen einige der Kosten selbst tragen und selbst aktiv werden.
Für die Grünen würde die Umbenennung der Straße „nicht nur ein klares Zeichen gegen die Verharmlosung der NS-Zeit, sondern auch einen notwendigen Schritt für eine reflektierte und zukunftsorientierte Erinnerungskultur darstellen“. Diskutiert werden soll nach Ansicht der Grünen auch, ob eine Arbeitsgruppe gebildet aus interessierten Bürgerinnen und Bürgern – darunter Schülerinnen und Schüler sowie jeweils betroffene Anwohnerinnen und Anwohner – sowie historischen Expertinnen und Experten auch andere Straßennamen in Kempen prüft.
Ein solches Gremium sollte bereits nach der Diskussion um die Grobben-Straße 2019 ins Leben gerufen werden. Es gab seinerzeit schon eine Liste kritischer Straßennamen in Kempen, die der Historiker Hans Kaiser ausgearbeitet hat. Die Arbeitsgruppe gibt es aber bis heute nicht. Es gab lediglich einen Arbeitskreis mit Schülern des Gymnasiums Thomaeums, der sich mit dem Namen Hohenzollernplatz in St. Hubert beschäftigte. Das Kulturamt war beteiligt. Das Ergebnis ist bekannt: Der zentrale Platz im Kendeldorf bekam im vorigen Jahr eine Hinweistafel mit Erklärungen zur historischen Rolle der Hohenzollern.