Ausstellungseröffnung in Nettetal Aus Unglück Glück machen

Nettetal · Im Städtischen Krankenhaus Nettetal eröffnete Rita Süssmuth die Gedächtnisausstellung mit Werken von Halise Bayram, Ärztin und Künstlerin. Dort hatte Bayram mehr als 15 Jahre als Ärztin für Anästhesie gewirkt.

Von links: Bürgermeister Christian Küsters, Rita Süssmuth, Geschäftsführer Jörg Schneider, Canan Bayram, Renate Dyck und Jürgen Boyxen.

Foto: Heribert Brinkmann

„Macht aus Unglück Glück!“ Mit diesem Lebensmotto charakterisierte Rita Süssmuth das Wesen der Nettetaler Künstlerin Halise Bayram. Am Internationalen Frauentag eröffnete das Städtische Krankenhaus Nettetal eine Gedächtnisausstellung an die 2023 verstorbene Künstlerin.

Halise Bayram war mehr als 15 Jahre als Ärztin für Anästhesie und Intensivmedizin am Städtischen Krankenhaus tätig, seit 2003 als Chefärztin. Krankheitsbedingt schied sie 56-jährig aus – und begann zu malen. In der Malerei fand sie eine neue Herausforderung und Lebensaufgabe. Bis zu ihrem Tod vor fast zwei Jahren entstanden so über 280 Bilder. Rund 60 Arbeiten sind jetzt bis zum 31. Mai im Erdgeschoss des Krankenhauses ausgestellt.

Rita Süssmuth, die frühere Bundesministerin und langjährige Bundestagspräsidentin, war mit Halise Bayram lange gut befreundet und sogar zusammen in Italien in Urlaub. Kennengelernt hatte sie die Ärztin durch Angela Körfers, die viele Jahre eine Praxis für traditionelle chinesische Medizin in Lobberich führte. Die 88-jährige Politikerin war gerne aus Neuss nach Nettetal gekommen, um diese „außergewöhnliche Frau“ zu ehren. Bayram sei nicht nur eine verantwortungsvolle Ärztin, sondern auch ein nachdenklicher Mensch gewesen, so Süssmuth. Auch mit ihrer Erkrankung hörte sie nie auf, neue Lebensentwürfe zu machen, zuletzt einen Garten im Wäldchen anzulegen. So wie sie eine ganzheitliche Medizin zu praktizieren versuchte, so sah sie auch das Leben als Einheit. Alles neu zu denken, war ihr Bestreben, wobei sie sich gleichzeitig auf Altes und Neues einlassen konnte.

Die Schwestern der Verstorbenen hatten zusammen mit dem Grafiker Horst Jewanski die Initiative zu dieser Ausstellung ergriffen. Die fünf Jahre jüngere Schwester Canan Bayram, frühere Bundestagsabgeordnete der Grünen und heute Rechtsanwältin in Berlin, war zur Eröffnung nach Nettetal gekommen.

Das Krankenhaus hatte den Gedanken gerne aufgegriffen. Aufsichtsratsvorsitzender Jürgen Boyxen und Geschäftsführer Jörg Schneider freuten sich ebenso wie Bürgermeister Christian Küsters über das große Interesse – und natürlich den Ehrengast aus Neuss.

Zum Internationalen Frauentag war Rita Süssmuth als ehemalige Bundesministerin für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit genau die Richtige. Die Eröffnung der Ausstellung am Frauentag hätte Halise Bayram gut gefallen. Da war sich Renate Dyck, Vorsitzende des Ausschusses für Kultur und Städtepartnerschaften, sicher. Sie erinnerte auch an den Vater der Künstlerin, Ismet Bayram, der in den 1980er-Jahren den ersten Ausländerbeirat der Stadt Nettetal leitete. Dyck hatte auch noch gut im Gedächtnis, wie es bei der Kunstausstellung von Halise Bayram 2019 im Rathaus eine lange Schlange vor dem Eingang gab. Viele frühere Patienten wollten sie wiedersehen: „Sie liebte die Menschen, und die Menschen liebten sie“, so Renate Dyck.

Bayram war ein lebensbejahender Mensch, energiegeladen. Die Freude am Leben überstrahlte auch die Ängste, die durch die schwere Erkrankung auftauchten. Das Malen gab ihr eine neue Kraft, manchmal malte sie die ganze Nacht durch. In ihrer Kunst reflektierte sie über ihre eigene Existenz.

Halise Bayram gehörte auch zu den Nettetaler Künstlern, über die NetteArt im Jahr 2021 filmische Porträts erstellen ließ. Dabei erzählte sie auch, wie sie 2017 zur Malerei kam. Auslöser war das Werk eines iranischen Künstlers aus Bochum in ihrem Besitz. Sie malte es nach und fühlte sich beglückt und ermutigt, auf diesem Weg einfach weiterzumachen. Schon in ihrer Schulzeit am Werner-Jaeger-Gymnasium hatte sie sich für Kunst begeistert, für Gustav Klimt und die Impressionisten.

In den sechs Jahren nach der Krankenhausarbeit bis zu ihrem Tod malte sie ausschließlich abstrakt. Sie benutzte keine Pinsel und Palette, sondern drückte die Farben direkt auf die Leinwand, verteilte mit dem Spachtel die Farben in mehreren Schichten. Mit Gravuren entstanden Durchblicke, blitzten aus tieferen Schichten leuchtende Farben auf. Für sie war ihre Malerei Selbstreflexion, auch Meditation. Dabei versuchte sie, in ihren Bildern auch das Unbewusste anzuzapfen.