Grevenbroich: Seltene wilde Orchidee gefunden
Es ist eine kleine botanische Sensation: Nahe Frimmersdorf entdeckt Hans-Josef Bolzek eine Rarität – die Bocks-Riemenzunge.
Grevenbroich. Hans-Josef Bolzek entdeckte die zarten Austriebe zufällig vor zwei Jahren am Wegesrand. Umso größer war die Freude über den seltenen Fund. Um ganz sicher zu gehen, wartete der Orchideen-Experte bis zur Blütezeit.
Seit ein paar Wochen hat der Frimmersdorfer Gewissheit und die botanische Sensation ist perfekt: Auf dem Gelände von RWE am ehemaligen Tagebau wächst die Bocks-Riemenzunge - unter Fachleuten auch Himantoglossum hircinum genannt.
Sie gehört zu den wilden Orchideen und steht auf der Roten Liste gefährdeter Pflanzen. Nur wenige Exemplare wurden bislang in der Nordeifel ausfindig gemacht.
"Die Bocks-Riemenzunge ist eigentlich im Südwesten verbreitet, bei uns taucht sie nun an der nördlichsten Stelle in Nordrhein-Westfalen auf", wundert Bolzek, der sich im Arbeitskreis Heimische Orchideen (AHO) engagiert und dessen Kreisbeauftragter ist. Zehn Orchideenarten haben Bolzek und die anderen zwölf Mitglieder des AHO in den vergangenen Jahren in Grevenbroich aufgespürt.
Jede einzelne Pflanze wurde gezählt und bis ins Detail karthographiert. Der Standort wird per GPS erfasst, so dass die Orchideen im folgenden Jahr wiedergefunden werden. In der gesamten Region kommen mittlerweile 18 gefährdete Orchideenarten vor.
Die Bocks-Riemenzunge wächst nur auf trockenen, kalkreichen Böden. Im Gegensatz zu ihren farbenfrohen Artgenossen wirkt sie mit ihrer schlanken, grünlichen Ähre ein wenig unscheinbar. Anders als beim Frauenschuh, dessen Blüte tatsächlich einem geschwungenen, hochhackigen Schuh ähnelt, bezieht sich der Name der Bocks-Riemenzunge offensichtlich auch auf ihren ganz speziellen Duft. Denn die Blüten der Naturschönheit riechen stark nach Ziegenbock.
Das ehemalige Tagebaugebiet hält gerade so viel Feuchtigkeit im Boden, dass die winzigen Samen die nötigen Pilze finden. Mit ihnen müssen sie eine Symbiose eingehen, um sich zu kraftvollen Trieben zu entwickeln.
Lange sieben Jahre dauert es, bis sich die anspruchsvolle Pflanze an einem Ort angesiedelt hat. Und nur wenn die Sonne beständig die Erde wärmt, es keine schlimmen Unwetter gibt, kann aus einem Samenkorn ein Schößling und daraus eine Orchidee werden.
Ulf-Rainer Dworschak von der Forschungsstelle Rekultivierung der RWE Power hat die klare Tendenz beobachtet, dass sich die wärmeliebenden Königinnen der Blumen in den vergangenen Jahren vermehrt im ehemaligen Tagebau ausbreiten. Dazu zählt auch die Bienenragwurz. Die wilde Orchidee gehört zu den "Sexualtäuschblumen". "Die Blüten dieser Gattung ähneln weiblichen Insekten und locken die paarungsbereiten Männchen", erklärt der Biologe.
Der AHO passt auf, dass der Boden um die Blumen nicht verkrautet, die Bäume zu viel Licht stehlen. Die Lage der Orchideen mag verführen, sie auszugraben oder zu pflücken. Das ist das Risiko nicht wert. "Die Pflanzen sind gesetzlich geschützt", sagt Bolzek.
300 bis 400 Euro Strafe stehen auf den Blumenklau. Außerdem könne die Blumen außerhalb ihres Biotops nicht lange überleben.