Hauptbahnhof: „Wasser marsch“ am Jauchehügel
Eine öffentliche Toilette wird es nicht geben.
Neuss. Das Thema stinkt zum Himmel. Findet zumindest die Neusser FDP und machte kürzlich Druck im Ausschuss für Planung und Stadtentwicklung: Weil im Neusser Bahnhof öffentliche Toiletten fehlen, verkomme der Bereich am Taxistand zum "Jauche-Bahndamm".
Darüber hätten die Fraktionen im Rat gemeinsam die Nase gerümpft - und den Antrag "Fehlende öffentliche/behindertengerechte Toilette in und um den Hauptbahnhof" einstimmig angenommen.
Das klingt gut, wird aber am "Jauchehügel" neben dem Parkplatz nichts ändern.
"Eine öffentliche Toilette im Bahnhof ist baulich nicht möglich und ist im Zusammenhang mit den Umbauarbeiten nicht geplant", stellt Stadtsprecher Peter Fischer klar. Geklärt sei dagegen, dass zumindest behinderte Bahnkunden künftig ihre Notdurft ohne Bitten und Betteln in der behindertengerechten Toilette der nahegelegenen Radstation verrichten können.
Bislang wurde dieser Raum nur auf Verlangen geöffnet. Kleinere notwendige Umbauarbeiten seien bereits getätigt worden. "Es fehlt nur noch die Beschilderung", erläutert Fischer nicht ohne eine ironische Betonung: "Nur noch!" In einem Gebäude der Bahn mit dem Hauptgeschäft "Pünktlichkeit" könnten womöglich auch die kleinen Geschäfte zur Geduldsprobe werden.
Dass sich die Stadt nach dem jüngsten politischen Vorstoß überhaupt in der Pflicht sah zu handeln, hat offenbar nur damit zu tun, dass die Toiletten in der Bahnhofsgaststätte "Drehscheibe" nicht behindertengerecht ausgestattet sind. Auf diese wird nämlich gerne im Rathaus verwiesen, wenn es um die Frage nach dem stillen Örtchen im Bahnhof geht.
Tatsächlich kann sich Drehscheiben-Pächter Hans-Hubert Spicker über "Laufkundschaft" nicht beschweren. Viele Menschen pendelten bei ihm ein und aus. Statt Flüssigkeit zu tanken, sorgten sie allerdings nur für eine hohe Abwasserrechnung.
Kaum einer, der mal nötig muss, sorge danach am Tresen dafür, den eigenen Flüssigkeitsvorrat wieder zu füllen. "Wir sind hier ein Pendler-Bahnhof. Das ist nur ein Rein und Raus." 30 Cent müssen die Nicht-Kunden für einen Besuch der Kneipen-Toilette bezahlen.
"Aber das ist nur eine Verhinderungsgebühr", erklärt Spicker, der die Kosten damit nicht decken könne. Das sei Sache der Kellner und werde nicht nachgehalten, wie häufig sie täglich die Tür zum stillen Örtchen aufdrückten. Zumindest anmelden müssen sich die Bahnkunden nämlich, wenn sie die Anlage benutzen wollen.
Seit zehn Jahren ist Spicker Pächter der "Drehscheibe" - die ungelöste Toilettenfrage für ihn längst ein Dauerbrenner. Als er selbst noch bei der Bahn insistierte, sagten ihm die Verantwortlichen: "Wir haben für unsere Reisenden Toiletten in den Zügen."
Eine Anfrage unserer Zeitung am Donnerstag an die Pressestelle der Bahn blieb auch am Freitag unbeantwortet. Wahrscheinlich kam sie aus aktuellen Gründen unter die ICE-Räder. Eine Antwort auf die Frage, warum die alten Toiletten, die laut Spicker mit Fahrkartenautomaten zugestellt seien, nicht reaktiviert werden können, wird es an dieser Stelle also auch nicht geben.
So beschäftigt sich der Pächter nun mit der Frage, ob er den immer weiter "weg-laufenden" Kosten nun durch Investitionen zuvorkomme. Schließlich gebe es ja auch so genannte wasserlose Urinale.
Bis zum nächsten großen "Run" auf sein Örtchen wird Spicker diese aber noch nicht angebracht haben: "An Sturm- und Drangtagen sind wir besonders begehrt", meint der 52-Jährige mit Blick auf das Schützenfest und lächelt dazu: Davon wird doch sicherlich der eine oder andere auch den Weg zum Tresen finden...