Zu perfekt, um zu Herzen zu gehen

Christoph Fischer kommentiert die Olympischen Spiele in Peking.

Die Hälfte der Spiele ist absolviert. Michael Phelps ist mit acht Goldmedaillen und sieben Weltrekorden in die Geschichte geschwommen, Usain Bolt aus Jamaika hat über 100 Meter einen unglaublichen Weltrekord aufgestellt, die deutsche Mannschaft hat sich nach enttäuschendem Beginn sportlich gefangen. Aber auf den ganz großen olympischen Moment wartet man seit einer gigantischen Eröffnungsfeier immer noch vergeblich. Den Spielen in Peking fehlt noch das prägende Merkmal.

Olympia in Peking, das ist Spitzensport auf einer Insel, so ganz anders als in Sydney 2000 oder in Barcelona 1992. Auch in Athen, dem Ursprung Olympias, war mehr Atmosphäre, mehr Kontakt zwischen Sport und Stadt, mehr internationales Flair in den Straßen der olympischen Metropole. Die Spiele in Peking sind zu perfekt, um zu Herzen zu gehen. Die Spiele leben von unglaublichen sportlichen Leistungen, die eindrucksvoll sind, aber eben auch immer von Zweifeln begleitet sind.

China hat seine Sportler so intensiv auf Olympia vorbereitet, dass am Ende nur Rang eins in der Nationenwertung herauskommen kann. Wie das so ist, wenn der Spitzensport ein Staatsplanthema ist. Wie es das in der ehemaligen DDR auch war. Wie brutal dieses Geschäft in China ist, erschließt sich aufmerksamen Beobachtern immer dann, wenn Chinas Olympioniken die geplanten Erwartungen nicht erfüllen und von brutalen Trainern öffentlich beschimpft werden. Trainern, denen der Mensch im Sportler nichts gilt, weil nur Siege zählen. Weil viele Medaillen - und natürlich vor allem viele goldene - die Überlegenheit des politischen Systems demonstrieren sollen.

Angesichts der ungelösten Tibetfrage, der fortgesetzten Internet-Zensur und der Menschenrechtssituation entsteht der Eindruck von Olympischen Spielen, die eine Ausnahmesituation darstellen, die bei aller Öffnung Chinas eben nicht die wahren Verhältnisse des Landes spiegeln. Vielleicht waren die Erwartungen überzogen, vielleicht wissen wir wirklich zu wenig von China, um die Chinesen besser verstehen zu können. Dabei könnte Olympia helfen. Aber dafür müssten die Spiele Olympias und Chinas Alltag mehr Kontakt haben. Eine Seele haben diese Spiele noch nicht.