SPD-Themenabend in Vorst Das System Kita ist in der Krise
Tönisvorst · Personalausfälle, unbesetzte Stellen und eine angespannte Betreuungssituation in Kitas stellen alle Beteiligten vor große Probleme. Zu einem Themenabend hatte die SPD-Kreistagsfraktion nach Vorst eingeladen.
Mehr Geld und Entlastung der Fachkräfte in den Kitas durch zusätzliche Hilfskräfte – mit diesen zwei Hebeln ließe sich einiges bewirken, um die Situation in den Kindertagesstätten zu verbessern. Das wurde beim Themenabend der SPD-Kreistagsfraktion „Mittendrin“ der Lebenshilfe in Vorst deutlich. Doch davon sind die Einrichtungen weit entfernt – und so antworteten die vier Teilnehmerinnen und Teilnehmer an der Podiumsdiskussion auf die Frage, ob das System Kita in der Krise stecke, mit einem entschiedenen Ja.
Über die Herausforderungen für Eltern und Kindertageseinrichtungen sowie Lösungen für eine verlässliche Kinderbetreuung diskutierten Nadia Khalaf, Geschäftsführerin der Arbeiterwohlfahrt (Awo) im Kreis Viersen, Till Helbig, Tagesvater aus Kempen, der SPD-Landtagsabgeordnete Frank Müller, der Mitglied im Ausschuss für Familie, Kinder und Jugend ist, und Beate Caus, Leiterin der Awo-Kita Kunterbunt in Tönisvorst, mit Moderatorin Ursula Gormanns. „Seit Monaten stehen Eltern, Kinder sowie das pädagogische Fachpersonal vor großen Herausforderungen: Personalausfälle, unbesetzte Stellen und eine angespannte Betreuungssituation stellen alle Beteiligten vor erhebliche Probleme“, so die SPD-Kreistagsfraktion.
Aktuelle Zahlen des statistischen Landesamtes zeigen, dass die Situation im Kreis Viersen schlechter ist als der Landesschnitt. Kitas in Nordrhein-Westfalen waren 2023/2024 durchschnittlich 20,5 Tage geschlossen – genauso viele Tage wie im Jahr zuvor. 2021/2022 hatte die Zahl der Schließtage noch bei 19,4 Tagen gelegen. Im Kreis Viersen hatten die Kitas im vergangenen Kitajahr 22,1 Tage geschlossen, im Jahr zuvor 22,2. Als „Schließtage“ werden alle Tage gezählt, an denen eine Einrichtung beispielsweise wegen Ferien, Teamfortbildungen oder Krankheiten geschlossen war, obwohl sie eigentlich regulär geöffnet gehabt hätte.
Tagesvater Till Helbig und Kita-Leiterin Beate Caus berichteten, dass Eltern zunehmend auch kranke Kinder in die Kita schickten – wohl nicht selten aus Verzweiflung, weil durch die vielen Kita-Schließtage viele berufstätige Eltern vor arge Probleme mit ihren Arbeitgebern gestellt würden. Doch die kranken Kinder stecken nicht nur andere Kinder an, sondern auch das Personal – wodurch weitere Ausfälle drohen. Appelle an die Eltern würden nicht immer fruchten, so Helbig und Caus. Durch Urlaub und Krankheitstage stünden Erzieherinnen und Erzieher bis zu 90 Tage im Jahr nicht zur Verfügung, sagte Müller. „Die Krankheitsproblematik ist so groß wie nie“, so der Landtagsabgeordnete.
Dargelegt wurde von Awo-Geschäftsführerin Nadia Khalaf und dem Landtagsabgeordneten Frank Müller ausführlich auch die unzureichende Finanzausstattung der Kitas. So komme es dazu, dass Kitas, die genügend Personal hätten, dafür noch bestraft würden, so Khalaf.
Pädagogische Fachkräfte
durch Kitahelfer entlasten
In manchen Kitas seien schon die Personalkosten höher als die Einnahmen, die Jugendämter müssten bezuschussen. Fehler seien auch in der Ausbildung von Fachkräften gemacht worden, waren sich die Teilnehmer einig. „Das Gegensteuern kam zu spät, der Fachkräftemangel ist hausgemacht“, so Nadia Khalaf.
Müller regte an, pädagogische Fachkräfte beispielsweise durch sogenannte Kitahelferinnen oder -helfer zu entlasten, auch für Verwaltungstätigkeiten brauche es nicht immer ausgebildete Erzieherinnen und Erzieher – wobei der Anteil der Männer in diesem Beruf laut Müller bei gerade mal fünf bis sechs Prozent liegt (ein Problem von vielen, aber derzeit nicht das drängendste, so Müller).
Frank Müller kritisierte, dass die Politik sich oft an Menschen ab 60 Jahren orientiere. „Kinder sind leider kein wahlentscheidender Faktor“, sagte er. Um wirklich etwas an der Situation zu ändern, brauche es den politischen Willen. „Jeden Tag, den ein Kind nicht in die Kita gehen kann, ist ein Tag, an dem wir ihm Chancen nehmen“, so Müller. Denn einig waren sich alle darin, dass Kindertagesstätten, Großtagespflegen und Tagesmütter und -väter mehr sind als Orte der Kinderbetreuung. Vielmehr seien sie wichtige Bildungseinrichtungen.