Kaarst - die viertälteste Stadt in NRW
WZ-Talk: Der demographische Wandel ist in Kaarst spürbar. Hängt die Stadt dem Trend hinter? Viel sei zu tun, bilanzierten die Teilnehmer.
Kaarst. Der demographische Wandel, welche Auswirkungen er hat und wie man ihm begegnen sollte - das war das Thema des ersten WZ-Talks im Haus der Volkshochschule Kaarst. Politiker und Bürger diskutierten lebhaft über die Zukunft ihrer Stadt, sprachen über Visionen und Wünsche, aber auch über unterschiedliche Vorstellungen, was zu tun sei.
Grundlage der Diskussion - so stellte Moderator und WZ-Redakteur Heiko Mülleneisen zu Beginn klar - ist die Altersentwicklung der Bevölkerung, die sich bereits verändert hat und nach Expertenmeinung und Prognosen auch weiterhin verändern wird. "Die Lebenserwartung wird in den nächsten Jahren weiter steigen", erklärte Mülleneisen, "allerdings kann kein Babyboom so viele Geburten bescheren, dass er den Effekt der Alterung ausgleichen würde."
Auch in Kaarst ist die Zahl der Bewohner rückläufig: "Die Bertelsmannstiftung rechnet mit einem Rückgang von 2,75 Prozent bis 2020", sagt Mülleneisen. Gleichzeitig sei zu erwarten, dass sich der Anteil der über 80-Jährigen bis dahin verdopple. Allerdings, so stellte Jürgen Sender als Vertreter der Senioren-Union fest, gebe es schon jetzt eine große Zuwanderung bei Altersgruppen über 60 Jahre. "Kaarst ist mittlerweile mit seinem Altersdurchschnitt die viertälteste Stadt in Nordrhein-Westfalen."
Dieser Zuwachs erkläre sich am nahe liegendsten durch den hohen Anteil an Seniorenheimen, die auch Bürgermeister Franz-Josef Moormann (CDU) lobend herausstellte. Kaarst habe nicht nur eine ausreichend große Anzahl an Pflege- und Wohnplätzen für Senioren, sondern auch eine zukunftsfähige Mitte, die seinesgleichen suche, so der Bürgermeister. In wenigen Minuten seien Jugendzentrum, Sportmöglichkeiten, Einrichtungen für Senioren, städtische Dienstleister und die Volkshochschule mit ihren kulturellen Angeboten zu erreichen - ein Vorteil bei alternder Bevölkerung.
Bisher sei vieles im Sinne der Zukunft und der Bürger richtig entschieden worden, waren sich die Beteiligten an der Diskussion größtenteils einig. Allerdings fehle ein durchdachtes, ganzheitliches Gesamtkonzept. "Die Kaarster Politik neigt dazu, situativ zu handeln", bemängelte Elke Beyer (SPD). Hanno Wilsch (FDP) schloss sich dieser Meinung an: "Es fehlt ein Bild oder eine Vision, die vorgibt, wohin wir gehen. Es geht zwar in Kaarst voran, aber immer nur in Trippelschritten."
Auch einige engagierte Bürger im Publikum schlossen sich der Meinung an. So wurde beispielsweise angemerkt, dass keinesfalls jeder alte Mensch in ein Heim gehen wolle, sondern auch viele Zuhause bleiben möchten. Deshalb sei die Entwicklung neuer Wohnformen gefordert, eventuell eine zentrale Vermittlungsstelle für leer stehende Häuser und Wohneinheiten oder die Förderung experimentellen Wohnens, so ein Vorschlag aus dem Publikum.
Die Anregung, einen Arbeitskreis mit Bürgern sowie Vertreten von Vereinen und Organisationen zu gründen, der Zukunftsaufgaben formuliert, stieß bei Bürgermeister Moormann auf wenig Gegenliebe. Erstens entwickeln bereits gesellschaftliche Gruppen Strategien und zweitens verfolgen die Parteien mit ihren Programmen eigene Ziele.
Um die Politiker auf den Wandeln vorzubereiten, werde von der Bertelsmann-Stiftung im November ein Demographie-Training veranstaltet, das kommende Probleme aufzeigen und Anregungen geben solle, kündigte Moormann an.
In der Diskussion entwickelte sich zudem die Idee, für Kaarst mehr bei jungen Familien zu werben, um dem Trend des Bevölkerungsschwunds entgegenzuwirken. So könne man auf die Vorzüge der Neubaugebiete, der Stadtmitte und der positiven Haushaltslage hinweisen. Es könnten Flyer an diejenigen, die in Kaarst arbeiten, aber nicht wohnen, verteilt werden.
Das Resümee der Veranstaltung könnte lauten: "Wir haben eine solide Basis", wie Elke Beyer sagte, und Bürgermeister Moormann ergänzte: "An der wir hart arbeiten müssen, damit wir die Zukunft gut bewältigen".