Rhein-Kreis/Grevenbroich: Die Rückkehr seltener Pflanzen- und Tierarten

Forscher haben in den vergangenen fünf Jahren im ehemaligen Tagebau über 300 Pflanzenarten neu entdeckt.

Rhein-Kreis/Grevenbroich. Stahl, Beton, Rohre und Kräne prägen das gewohnte Bild auf der Mega-Baustelle in Neurath, wenige Meter entfernt graben sich riesige Schaufelradbagger durch den Tagebau - ringsherum sprießen wilde Narzissen, seltene Orchideen, eine Grauammer steigt in die Luft.

Dort, wo der Mensch einst brutal in die Landschaft eingriff, ist heute Natur pur zu erleben.Mehr als 3500 Tier- und Pflanzenarten hat die Forschungsstelle Rekultivierung auf ehemaligem Tagebaugelände im rheinischen Revier nachweisen können.

Das Besondere: Allein in den vergangenen fünf Jahren wurden 317 neue Pflanzenarten erfasst. Viele von ihnen zählen zu den gefährdeten Arten der Roten Liste.

Die Forschungsstelle Rekultivierung, die seit zehn Jahren in einem alten Bauernhof in Jüchen-Hackhausen untergebracht ist, hat es sich zur Aufgabe gemacht, den aktuellen Bestand an Pflanzen und Tieren zu erfassen und zu dokumentieren sowie Voraussetzungen für die Ansiedlung der unterschiedlichen Lebensformen zu schaffen.30 Experten und Hobbyforscher sind damit beschäftigt, die Pflanzen zu sichten, zu benennen und zu kategorisieren.

Wie gefragt die Ergebnisse sind, zeigt die enorme Nachfrage des Buches "Tiere und Pflanzen in der Rekultivierung". Viele tausend Einzeldaten aus rund 100 Forschungsarbeiten sowie Erkenntnisse aus Gutachten und Diplomarbeiten wurden in Hackhausen für das Buch zusammengetragen.

Mittlerweile ist die Publikation restlos vergriffen, für 2010 ist eine Neuauflage geplant. In digitaler Version ist das Buch schon jetzt mit aktuellen Tabellen im Internet abrufbar.

"Allein in den letzten drei Jahren konnten wir zahlreiche Besonderheiten nachweisen", berichtet Ulf Dworschak von der Forstwirtschaft und Rekultivierung der RWE Power. "Die Böden sind nährstoffarm, die Natur kann sich auf den großen Flächen ungestört entwickeln - das sind ideale Bedingungen", schwärmt der Biologe.

Erst kürzlich hat er eine seltene Haselmaus auf der Sophienhöhe entdeckt und sie fotografiert.Verwilderte Ecken für Vögel gibt es nur noch selten. Zwar wurde im Elsbachtal kürzlich die gefährdete Blauracke gesichtet, doch Fußgänger und Hundebesitzer vertreiben die scheuen Vögel auch schnell wieder, sagt Dworschak.

Zu den seltenen Pflanzen, die man wieder entdeckt hat, gehört auch der Gelappte Schildfarn, er ist in NRW kaum noch zu finden und gilt als ausgestorben.Verstärkte Vorkommen gibt es auch wieder beim Gottesgnadenkraut oder dem Lauch-Gamander.

Immer wieder entdeckten die Forscher seltene Orchideenarten. Zuletzt wurde nahe Frimmersdorf die Bocks-Riemenzunge ausfindig gemacht. In der Region kommen mittlerweile 18 gefährdete Orchideenarten vor - sie wachsen vor allem um die Neurather- und Königshovener Höhe herum.

Im ehemaligen Tagebau Fortuna und in Inden wurden neben seltenen Käfern, Fledermausarten und Fischen erstmals wieder fast vergessene Vogelarten aufgespürt, etwa das Blaukehlchen.

Bei den Libellen konnten sechs neue Arten erfasst werden - fünf von ihnen stehen auf der Roten Liste. Und auch der schillernde Eisvogel - Vogel Jahres 2009 - kurvt laut Dworschak wieder über dem Südrevier.